| Nr. 086/11
zu TOP 6: Eingriffe in die Freiheit des Menschen bedürfen klaren gesetzlichen Grundlagen
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Ich möchte zunächst der Landesregierung für den vorgelegten Gesetzentwurf danken. Er spricht eine verständliche Sprache und vermeidet unnötige Verweisungen.
Mit der Anordnung von Untersuchungshaft wird bereits in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen, auch wenn sich erst in einem späteren Verfahren ihre Schuld oder Unschuld erweisen wird. Und machen wir uns da nichts vor: die Dauer der Untersuchungshaft kann auch in günstigen Fällen 3 bis 4 Monate betragen und in komplizierten Verfahren sogar Jahre. Diese Eingriffe in die Freiheit des Menschen bedürfen klarer gesetzlicher Grundlagen, und es ist gut, dass nun auch Schleswig-Holstein sein eigenes Untersuchungshaftvollzugsgesetz aus einem Guss erhält.
Es ist richtig, dass sich der Entwurf in seinen zentralen Aussagen an die Ergebnisse der 12 Länder übergreifende Arbeitsgruppe zum Vollzug der Untersuchungshaft hält. Der Vollzug der Untersuchungshaft wird in Schleswig-Holstein somit im Einklang mit den anderen Bundesländern stattfinden, und zugleich müssen wir die Besonderheiten der Verhältnisse in Schleswig-Holstein nicht aufgeben.
Drei der wichtigsten Aussagen des Gesetzes sind in den §§ 4, 6 und 11 enthalten. In § 4 heißt es: „Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig.“ § 6 Abs. 1 besagt: „Die Untersuchungsgefangenen werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.“ Und § 11 regelt die Trennung von Gefangenen anderer Haftarten, insbesondere von Strafgefangenen.“ Diesen Vorschriften kommt als Richtschnur für den Umgang mit Gefangenen eine ganz zentrale Bedeutung zu. Es findet Ausdruck, dass wir uns der Verantwortung stellen, der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen. Wir wissen zwar genau, dass sich trotz der Unschuldsvermutung vor dem Strafverfahren später ein großer Anteil der Gefangenen in der richtigen Strafhaft wieder findet.
Aber wir dürfen bei allem berechtigten Interesse an konsequenter Strafverfolgung nicht vergessen, dass die Untersuchungshaft für die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Beschuldigten eine empfindliche Belastung darstellt und wir uns der Verpflichtung nicht entziehen dürfen, schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung entgegenzuwirken.
Viel zu oft liegt die eigentliche Grundursache für eine Straffälligkeit darin, dass die Menschen gerade nicht in der Lage waren, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten selbst zu beheben. Das Gesetz setzt hier an, in dem es z.B. in § 6 den Grundsatz der „sozialen Hilfe“ statuiert oder in dem es in § 24 die Möglichkeiten von Arbeit und Bildung regelt. Wir werden sehr genau darauf zu achten haben, dass diese Vorschriften auch mit Leben erfüllt werden. Es muss auch in der Haft so früh wie möglich mit sozialen Hilfestellungen angesetzt werden – dies gilt völlig unabhängig von der Frage von Schuld oder Unschuld.
Positiv bewerte ich, dass die mit der Neuregelung entstehenden höheren Personal- und Sachkosten im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erbracht werden können, und dass der Konsolidierungspfad des Landeshaushalts durch das neue Gesetz nicht gefährdet wird. Ich bin sicher, dass wir diese Fragen auch noch weiter gemeinsam im Innen- und Rechtsausschuss erörtern werden. Denn mit dem Begleitbeschluss des Landtags zum Haushalt aus Dezember 2010 hatten wir ja die Erwartung verbunden, dass auch die finanziellen Auswirkungen zu einer Schließung der kleinen Justizvollzugsanstalten noch einmal genauer dargelegt werden müssen. Die Aufregung über die Presse in der letzten Woche – Herr Kollege Beran – kann ich in diesem Punkt übrigens nicht nachvollziehen.
Die Schilderung in der Einleitung zu dem Gesetzentwurf gibt korrekt den Kabinettsbeschluss wieder. Sicher könnten Sie fragen, ob man diese Passage nicht auch hätte streichen können. Die Schlussfolgerung, die Sie daraus ziehen, ziehe ich nicht. In diesem Sinne sehe ich konstruktiven sachgerechten Beratungen im Ausschuss entgegen!
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Max Schmachtenberg
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