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zu TOP 5/6/8: Wir müssen die Entscheidungsfreiheit vor Ort stärken
Es gilt das gesprocjenen Wort
Sperrfrist Redebeginn
Das Kommunalverfassungsrecht ist die Geschäftsgrundlage unserer Demokratie im Kleinen. Wir haben im Land über 1.100 Gemeinden und Kreise und darin arbeitet eine vielfache Zahl an engagierten Mensche, die selbst bestimmen wollen, was in ihrem Umfeld geschieht. Wenn man hier die Gesetze ändert, muss man dies sorgsam tun und die Betroffenen und ihre Vorschläge auch hören.
Ich möchte dem Innenminister danken, dass er dies zu vielen der vorgelegten Regelungen auch getan hat. Seit dem Herbst letzten Jahres hat es auf Regionalkonferenzen und anderen Veranstaltungen eine umfassende Diskussion über das Kommunalrecht gegeben. Diese hatte ja immerhin auch die Opposition in den letzten Monaten veranlasst, mehrere Gesetzentwürfe zu einzelnen kommunalrechtlichen Themen vorab in den Landtag zu bringen, deren Inhalte wir in den heute vorliegenden Gesetzentwürfen der Opposition zum Teil erneut wieder finden.
Einer der wichtigsten Punkte im Gesetzentwurf der Landesregierung betrifft die Frage der Amtsordnung. Die vom Verfassungsgericht aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten sind bekannt.
In Artikel 1 des Gesetzentwurfs der Landesregierung wird nunmehr die Kataloglösung gewählt. Einer oder mehreren Kommunen wird die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben weiterhin gestattet, jedoch in eingeschränkter Form, um dem Landesverfassungsgerichtsurteil Rechnung zu tragen. Die Amtsverwaltung bereitet Beschlussempfehlungen vor und steht den Kommunen unterstützend zur Seite. Mindestens zwei amtsangshörige Gemeinden können zukünftig die Trägerschaft von Selbstverwaltungsaufgaben aus einem Auswahlkatalog ganz oder teilweise übertragen. Der Auswahlkatalog beinhaltet 16 Aufgaben, von denen maximal fünf Aufgaben ausgewählt werden können. Die Aufgaben und der Umfang der Übertragung müssen genau bezeichnet werden.
Mit der Neuregelung der Zusammensetzung des Amtsausschusses erfährt der Amtsausschuss personell eine Reduzierung. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gehören dem Amtsausschuss an, ab 1.000 Einwohnern entsendet jede Gemeinde ein weiteres Mitglied und ab 3.000 Einwohnern zwei weitere Mitglieder. Den Mitgliedern des Amtsausschuss werden Stimmenkontingente zugewiesen und zwar je 100 angefangene Einwohner eine Stimme im Amtsausschuss. Es erfolgt ein Systemwechsel, der besondere Mehrheitserfordernisse im Amtsausschuss regelt bzw. die Stimmenverteilung anders gewichtet. Entscheidend ist nicht die Zahl der Mitglieder, sondern die Zahl der Stimmen. Diesen Vorschlag der Stimmenverteilung gab es bereits im Jahre 2006, im zweiten Verwaltungsstrukturgesetz. Zukünftige Amtsdirektor(innen) müssen die erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde haben, um diesen Posten auszufüllen.
Diese Regelungen sind ein Ergebnis davon, dass die Interessen der Betroffen gehört wurden. Die breite Mehrheit der kommunalen Vertreter und kommunalpolitisch Interessierten hat sich in Regionalkonferenzen gegen eine Direktwahl der Amtsausschüsse ausgesprochen – also auch gegen das, was Bündnis90/Die Grünen mit ihrem eigenen Gesetzentwurf vorschlagen.
Wenn Sie die Beteiligung der Betroffenen wirklich so hoch schätzen würden, wie sie immer vorgeben, dann hätten Sie ihren eigenen Gesetzentwurf so nicht vorlegen dürfen. Sie wollen darin eine Wahl der Amtsausschüsse, die von den Betroffenen im Lande auf breiter Mehrheit abgelehnt wird. Und umso erstaunlicher finde ich auch die gleichzeitige Aussage in der Begründung ihres Gesetzentwurfs, dass sie die Ämter mittelfristig überflüssig machen wollen. Ihre Presseäußerungen aus Februar diesen Jahres, Herr Kollege Habeck, von nur noch 150 Großgemeinden in Schleswig-Holstein – die haben wir ja nicht vergessen.
Aber wenn man mehr Selbstbestimmung vor Ort mehr demokratische Beteiligung ernst nimmt, dann darf man die Kernaufgaben kommunaler Selbstverwaltung nicht auf eine höhere Ebene verlagern. Das heißt nichts anderes, als dass sich die Entscheidungen noch weiter von den Bürgern vor Ort entfernen. Die Angelegenheiten werden sich damit noch weiter entfernen von den Menschen, die sie angehen. Nehmen wir nur das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zur dortigen Kreisgebietsreform als Beispiel. Wir können nur hoffen, in Schleswig-Holstein niemals zu solchen Modellen gezwungen zu sein – die zwar zulässig, aber sehr bürgerfremd sind.
Ich will ihnen auch gerne sagen, dass ich als Bürgermeisterin in meiner Nachbargemeinde zur Zeit eine Gemeindezusammenlegung erlebe, die nicht reibungslos funktioniert. Sie spaltet die Dorfbevölkerung. Es findet sich hier nämlich nicht jeder wieder, man muss auf diesem Weg alle mitnehmen. Die bisher geleistete Ehrenamtlichkeit findet schlicht weg nicht mehr statt, da die Bürgerinnen und Bürger sich mit dem neuen Gebilde nicht identifizieren.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung belässt es bei Freiwilligkeit, Bürgernähe und belässt die Entscheidungsfreiheit richtiger Weise vor Ort.
Zu Artikel 2 des Gesetzes: Über die Gemeindeordnung wird des den Gemeinden zukünftig erlaubt, Gebietsteile durch Vertragsschließung umzugemeinden. Bisher war hier die Entscheidung der Kommunalaufsicht erforderlich. Einwohnerversammlungen können ohne Vorgabenfestlegung erfolgen. Bei der künftigen Berechnung des Verhältnisausgleichs wird von D`Hondt auf das Auszählverfahren Lague/Schepers umgestellt.
Ausschuss- und Gemeindevertretersitzungen sind grundsätzlich öffentlich, die Nichtöffentlichkeit muss stets neu beschlossen werden. Gemeinden mit über 4.000 Einwohnern können zukünftig im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten beschließen, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister gewählt werden soll, sie haben jedoch nicht die Befugnis, eine eigene Verwaltung einzurichten. Dieses wird nötig, da der Arbeitsumfang gestiegen ist und die Arbeit im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht mehr leistbar ist.
All diese Maßnahmen basieren auf der Erkenntnis, dass wir die Entscheidungsfreiheit vor Ort erhalten und stärken müssen. Und wir sollten vereinfachen. Ich darf mir deshalb auch die Bemerkung erlauben, dass die CDU-Fraktion bereits einen Vorschlag gemacht hat, wie wir die Gemeindeordnung auch redaktionell einfacher Fassen könnten. Auch dies sollten wir im Ausschuss mitberaten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes. Für das Kommunalwahlrecht schlägt die Landesregierung ähnliche Schritte vor, wie der Landtag sie für das Landtagswahlrecht mit deutlicher Mehrheit beschlossen hat. Das kann man tun, muss es aber nicht. Jedenfalls zwingt das letzte Landesverfassungsgerichtsurteil nicht dazu. Für die Kommunalvertretungen gibt schließlich keine Zielgröße von 69 in der Landesverfassung, die hier verletzt werden könnte. Und deshalb sollten wir dies sehr intensiv beraten – es geht immerhin um 1.100 Kommunen in diesem Land.
Ebenso ist mir eine gründliche Beratung der Gemeindevertretungsgrößen wichtig. Die Probleme mit vielen Mehrsitzen und Ausgleichsmandaten entstehen nach der letzten Kommunalwahl zu 2/3 in Kommunen über 10.000 Einwohner. Und auf das ganze Land gerechnet werden auf diese Weise nur etwa 3 Prozent mehr Mandate vergeben als die Ausgangsgrößen in § 8 GKWG vorsehen. Vielleicht können man hier ja auch flexible oder punktuelle Lösungen finden.
Insgesamt liegt ein Gesetzentwurf vor, der den Kommunen den notwendigen Spielraum belässt und ihnen weiteren gibt. Ich zitiere hier den ehemaligen SPD-Abgeordneten Klaus-Peter Puls.“ Das Konzept lässt neben der Kirche auch die politische Verantwortung im Dorf“.
Abschließend noch ein Wort zum Entwurf der SPD-Fraktion: Er geht in eine ähnliche Richtung wie der der Landesregierung, beinhaltet jedoch nur eine Übertragung von fünf Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter. Für die Kommunen bedeutet das aus meiner Sicht eine Einschränkung für die Aufgabenwahrnehmung. Zum Thema Gleichstellung von Mann und Frau wollen sie das Hauptamt der Gleichstellungsbeauftragen bei 10.000 Einwohnern vorschreiben. Das ist weder notwendig noch bezahlbar. Auch die verpflichtende Einführung von Seniorenbeiräten in Kommunen über 8000 Einwohnern erschließt sich mir nicht. Ich meine, wir sollten die Kommunen möglichst viel selbst entscheiden lassen, wie sie es halten sollen.
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Max Schmachtenberg
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