| Nr. 304/09
zu TOP 21 und 29: Der Staat ist nicht der bessere Lohnfestsetzer
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende entgegen und der neue Oppositionsführer lässt keine Gelegenheit aus, um sich noch einmal in seiner neuen Rolle zu präsentieren und diese Bühne für seinen Wahlkampf zu nutzen. Warum haben Sie es auf einmal so eilig mit dem gesetzlichen Mindestlohn Herr Kollege Stegner?
Obwohl in gut einer Woche ein neues Parlament gewählt wird, obwohl nach Ihrem Bekunden doch feststeht, dass Sie der nächste Ministerpräsident werden und obwohl die Frage der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes kein landesspezifisches Thema ist.
Von Reichensteuer über Börsenumsatzsteuer bis hin zum Mindestlohn ist bei Ihnen alles dabei, was das Herz linker Traditionalisten wärmt. Und beim Thema Mindestlohn sind sich Sozialdemokraten und Linkspartei doch bemerkenswert einig.
Ich möchte auf das eigentliche Kernanliegen zurückkommen. Ludwig Erhards Slogan „Wohlstand für alle“ bringt damals wie heute den politischen Konsens auf den Punkt. Und diese Idee blieb – das hat die Vergangenheit gezeigt – kein leeres Versprechen.
Nahezu alle Volksvertreter im Deutschen Bundestag bekennen sich zu diesem Kernanliegen der Sozialen Marktwirtschaft. Demzufolge soll ein freies marktwirtschaftliches System dafür sorgen, dass unter den Grundsätzen Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit den Präferenzen der Bürger Rechnung getragen wird. Wer nicht in der Lage ist, sich und seine Kinder durch Arbeit selbst zu versorgen, wird von der Gemeinschaft unterstützt.
Es ist ein urchristliches Anliegen, Menschen aus Armut zu führen sowie einen anständigen Lohn für eine anständige Arbeit zu zahlen. Die Päpste, die das schon vor Jahrhunderten gefordert haben, waren keine Sozialisten!
Jeder, der kann, muss deshalb einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Sozialversicherungen liefern. Und entsprechend seiner Leistungsfähigkeit muss darüber hinaus jeder Bürger etwas zur Unterhaltung des Gemeinwesens beisteuern.
Für die Sozialdemokraten ist der Mindestlohn dabei das Zaubermittel für alles: gut gegen Lohndumping, gegen Abhängigkeit von ergänzenden Transferleistungen, gegen Armut.
Dabei sollte allen hier im Hohen Hause die fatale Nebenwirkung spätestens seit dem Post-Mindestlohn bekannt sein. Entlassene PIN-Mitarbeiter können am Mindestlohn nichts Zauberhaftes entdecken.
Für uns als CDU-Fraktion ist die Linie klar: Der Staat – das haben wir bei der HSH Nordbank und anderswo gesehen – ist nicht der bessere Banker. Der Staat ist auch nicht der besser Tarifpartner oder der bessere Lohnfestsetzer.
Erfolge auf dem Arbeitsmarkt sind so nicht zu erreichen.
Wir haben in Deutschland einen Bereich im Niedriglohnsektor schon verloren, das ist der industrielle. Wenn wir das bei den Dienstleistungen wiederholen, wäre das eine volkswirtschaftliche und sozialpolitische Katastrophe.
Deshalb müssen wir in Bereichen, in denen die Menschen mit niedrigen Löhnen allein nicht leben können, diese Löhne ergänzen. Wir ersetzen den Markt nicht wie bei einem gesetzlichen Mindestlohn. Wir korrigieren ihn, wo er nicht zu vernünftigen Löhnen in der Lage ist. Das ist viel billiger, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Deshalb plädieren wir für ein Mindesteinkommen statt eines erzwungenen gesetzlichen Mindestlohnes.
Ich möchte dazu folgende Bemerkungen machen:
Erstens: Das erste Problem besteht ja schon darin, was ist ein angemessener Mindestlohn? Sind es 7,50 Euro oder weniger oder mehr?
Gerade hat die neue Mindestlohn-Kommission unter ihrem Vorsitzenden, dem SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi, ihre Arbeit aufgenommen, und schon geht der Streit darüber los. So fordert DGB-Chef Sommer nun einen deutlichen höheren Mindestlohn als 7,50 Euro.
Ist es weiter richtig, dass es einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro in Nordrhein-Westfalen aber ebenso in der strukturell ganz unterschiedlichen Uckermark gibt?
Sicherlich nicht. Denn so einheitlich sind die Regionen und Branchen keineswegs.
„Wenn Sie einen solchen Mindestlohn zu hoch ansetzen, dann provozieren Sie Schwarzarbeit oder Sie provozieren die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Wenn Sie ihn zu niedrig ansetzen, dann provozieren Sie Frühverrentung oder freiwillige Arbeitslosigkeit.“
Dies sind die Worte unseres hoch angesehenen früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt anlässlich seines bevorstehenden 90. Geburtstages. Herr Kollege Stegner, wollen Sie ihrem geschätztem Parteifreund an dieser Stelle widersprechen?
Auch der SPD-Wirtschaftsflügel sieht in seinem Papier „Soziale Gerechtigkeit durch wirtschaftliche Vernunft“ die Gefahr der Vernichtung von Arbeitsplätzen beim gesetzlichen Mindestlohn.
Der Postmindestlohn, der von der Deutschen Post missbraucht wurde, hat zur Vernichtung von rund 19.000 Arbeitsplätzen bei Postkonkurrenten geführt. In Schleswig-Holstein waren mehrere hundert Arbeitnehmer betroffen.
Zweitens: Wir als Union sprechen uns gegen einheitliche gesetzliche Mindestlöhne aus, weil sie die Axt an die Wurzel der Tarifautonomie legen, die Lohnfindung politisieren und von der Sozialen Marktwirtschaft weg in Richtung Staatswirtschaft führen.
Damit wollen Sie die sozialpolitische Verantwortung des Staates an die Unternehmen abschieben, von denen Sie verlangen, Löhne zu zahlen, die von den Arbeitnehmern gar nicht erwirtschaftet werden können.
Auch der Vorsitzende der IG-BCE Hubertus Schmoldt ist der Auffassung, dass ein gesetzlicher Mindestlohn das deutsche Tarifmodell untergräbt und die Gewerkschaften bei ihrer ureigensten Aufgabe der Lohnfindung schwächt.
Drittens: Die SPD betont ja immer wieder gerne, dass viele EU-Länder auch Mindestlöhne haben. Ich gehe mal davon aus, dass Sie sich dabei nicht auf die Mindestlöhne von Rumänien und Polen beziehen. Die liegen nämlich nur knapp unter bzw. etwas über einem Euro in der Stunde.
In Frankreich, in denen ganze 15 Prozent einen Mindestlohn von 8,82 Euro erhalten, ist die Jugendarbeitslosigkeit fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Wir wollen keine solchen französischen Verhältnisse mit immer wieder aufflammenden sozialen Unruhen wie in den Pariser Vororten. Auch wenn die Linkspartei ja bereits zu sozialen Unruhen aufgerufen hat.
Unsere Botschaft ist: Sozial ist, was Arbeit schafft! Dieser Grundsatz muss Maßstab unseres Handelns sein.
Herr Kollege Stegner, Sie sind in dieser Debatte die Antwort schuldig geblieben, wie Sie Personen ohne Ausbildung oder Geringqualifizierte, die es leider in unserer Gesellschaft gibt, bei der Aufnahme einer regulären Arbeit helfen wollen.
Diese Menschen grenzen Sie aus, wenn Sie Ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt mit weiteren Hürden erschweren. Ich betone es noch einmal: Sozial ist, was Arbeit schafft und nicht, was eine Arbeitsaufnahme verhindert!
Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung Merkel ist dabei wie keine andere zuvor erfolgreich. Keine andere Bundesregierung zuvor hat es geschafft, die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren um fast 2 Millionen zu reduzieren. Ein wichtiger Beitrag dafür, das möchte ich an dieser Stelle gerne sagen, war auch die Agenda 2010, dessen Architekt Herr Steinmeier war.
Das Grundprinzip der Agenda 2010, Arbeitslose schneller in Arbeit zu bringen, ist richtig. Nur leider wollen die Sozialdemokraten nun davon nichts mehr wissen. Stattdessen setzen sie mit ihrer Kehrtwende nach links die erreichten Erfolge bewusst aufs Spiel.
Wir haben im letzten Jahr Tarifabschlüsse gehabt, die deutlich über den Tarifforderungen der Gewerkschaften früherer Jahre des wirtschaftlichen Abschwungs liegen. Das zeigt und bestätigt uns: Hohe Beschäftigung ist das beste Mittel gegen niedrige Löhne.
Gleichzeitig ist die Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht geworden, indem sie ergänzend einen rechtlichen Rahmen dafür gesetzt hat, dass in diesem Land gerechte Löhne gezahlt werden.
Dazu gehört die Ausweitung des Entsendegesetzes, und dazu gehört das doppelte Angebot, das wir für die Branchen machen, die eine hohe Tarifbindung haben und die die Aufnahme in das Entsendegesetz wollen.
Denjenigen, die nicht die Chance haben, eine solche Tarifbindung zu erreichen, dient die Modernisierung des Mindestarbeits-bedingungengesetzes aus der Zeit von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard.
Meines Wissens war auch die FDP damals an der Regierung beteiligt.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Menschen darüber empört sind, wenn Manager eines insolventen Unternehmens 15 Millionen Euro für sechs Monate Arbeit erhalten. Das ist auch in einer Sozialen Marktwirtschaft mit einem geordneten Wettbewerb absolut nicht akzeptabel. Das hat unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel auch deutlich zum Ausdruck gebracht.
Der Bundestag hat deshalb im Juni mit dem Gesetz „zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“ mehr Transparenz bei der Festlegung dieser Vergütungen geschaffen sowie einen langfristigen Unternehmenserfolg als Voraussetzung für Bonuszahlungen beschlossen.
Wir müssen das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft international verankern. Der Staat ist unverzichtbar bei der Setzung und Überwachung von Rahmenbedingungen, nicht aber als Mitspieler. Er vermag nicht rechtzeitig und detailliert herauszufinden, wo was wer und wann zu welchem Preis gebraucht wird. Die Geschichte zeigt, wo immer der Staat dies versuchte, ist er gescheitert. Wann lernen wir daraus?
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel