| Nr. 030/08

zu TOP 18: Wir brauchen sachliche und ideologiefreie Aufklärung

Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort

An 11. und 12. April 2007 habe ich mit Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages an der Anhörung im Sozialausschuss des Niedersächsischen Landtages teilgenommen. Namhafte Experten und Institute haben über ihre Untersuchungen zur Häufung von Leukämiefällen in der Elbmarsch berichtet.

Der Niedersächsischen Landesregierung und auch der Vorsitzenden des Sozialausschusses, Frau Gesine Meißner, sei an dieser Stelle dafür gedankt, dass ein solch emotionales Thema in sachlicher und der Bedeutung angemessener Atmosphäre stattfand.

Ich habe das Protokoll der Anhörung noch einmal überflogen. Erneut stellte sich bei mir das beklemmende Gefühl der Anhörung wieder ein:

So qualifiziert und mit Zahlenmaterial und Formeln unterlegt die Vorträge auch waren, konnten sie mir nicht den Eindruck vermitteln, der Ursache des Leukämieclusters in der Elbmarsch wirklich ein Stück näher gekommen zu sein.

Die Redebeiträge der Kollegen des Niedersächsischen Landtages vom 12.12.2007 bestätigen dies – parteiübergreifend. Umso richtiger ist die Forderung des Niedersächsischen Landtages „Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen geklärt werden – Bürgerinnen und Bürger in der Elbmarsch dürfen nicht allein gelassen werden“. Dieser Aussage schließen wir uns gerne an.

Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und des SSW ist eine Kopie des parteiübergreifenden Niedersächsischen Antrages, den wir sehr begrüßen. Er fordert mittels eines klar strukturierten Fragenkatalogs unter der Beteiligung des Bundesamtes für Strahlenschutz als Moderator die Aufarbeitung der aus der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse und Thesen.

Nach meinem Eindruck mangelte es bei einigen Ergebnissen der in Hannover angehörten Experten an der Vergleichbarkeit der Standards und Methodik, was insbesondere im Zusammenhang mit der Untersuchung der so genannten „PAC-Kügelchen“ offenkundig wurde.

Um diese Kügelchen – die nach Auffassung der Atomkraftgegner auf einen Störfall auf dem Gelände der GKSS im Jahr 1986 zurückgehen sollen, rankten sich Vermutungen wildester Art (u. a. Forschung mit Mini-Atombomben im GKSS).

Das ZDF hatte seinerzeit in sensationeller Weise von Funden angeblich radioaktiver Kügelchen berichtet und mit einer nicht sorgfältig recherchierten Reportage in unverantwortlicher Weise zu noch größerer Verunsicherung der betroffenen Bevölkerung beigetragen.

Die Ergebnisse der von Prof. Dr. Mirnov vorgenommenen Untersuchungen wurden von anderen Wissenschaftlern auch wegen der Messmethoden angezweifelt. Die radioaktiven sphärischen Objekte = Kügelchen wurden von einem anderen Experten als Flugasche bezeichnet.

Angesichts der widersprüchlichen Auffassungen und Messergebnisse ist die vom Niedersächsischen Landtag beschlossene „vertiefte fachliche Bewertung und Aufarbeitung“ der Anhörung sinnvoll.

Ich kann allerdings keinen Sinn darin sehen, den Niedersächsischen Antrag zu kopieren und nun in Schleswig-Holstein etwas beschließen zu wollen, was in Niedersachsen am 12. Dezember 2007 mit den Stimmen aller Fraktionen bereits auf den Weg gebracht wurde. Ein solcher Antrag aus Schleswig-Holstein ist überflüssig! Meine Fraktion geht davon aus, dass Niedersachsen und Schleswig-Holstein in dieser überaus wichtigen Angelegenheit weiterhin kooperieren werden und Schleswig-Holstein über den Verlauf des geplanten Expertengesprächs unterrichtet wird oder aber – die gesundheitspolitischen Sprecher aus Schleswig-Holstein und Hamburg dazu eingeladen werden.

Der vorliegende CDU/SPD-Antrag geht einen Schritt weiter: Die Anhörung hat gezeigt, dass wir immer noch im Trüben fischen und weitere Untersuchungen folgen müssen. Diese jedoch primär auf Bodenproben und Radioaktivität zu konzentrieren, führen nach unserer Auffassung in eine Sackgasse!

Daher halte ich auch die viel zitierte Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK-Studie) aus Dezember 2007 für problematisch. Diese Studie wurde im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom Deutschen Kinderkrebsregister in Mainz durchgeführt. Im 5-km-Umkreis um die Reaktoren wurde im Untersuchungszeitraum von 1980 – seit Bestehen des Kinderkrebsregisters – bis 2003 festgestellt, dass 37 Kinder neu an Leukämie erkrankt sind.

Im statistischen Durchschnitt wären 17 Fälle zu erwarten gewesen. Etwa 20 Neuerkrankungen sind also allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückzuführen.

Diese – auf den ersten Blick – logische Schlussfolgerung hat offensichtlich auch der Kollege Matthiessen gezogen und mit seiner Presseerklärung vom 10.12.2007 die Grüne Maske fallen lassen! In dieser Presseerklärung geht es nicht vordringlich um die vorbehaltlose Aufklärung des Leukämie-Clusters in der Elbmarsch, sondern um Abschaltung der AKW! So kommen wir nicht weiter! Man spielt nicht mit der Angst der Betroffen!
Ideologisch gefärbte Sichtweisen führen uns auf eine falsche Spur.

Auch wenn die KIKK Studie aussagt, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk und dem Risiko, vor dem 5. Geburtstag an Krebs (bzw. Leukämie) zu erkranken beobachtet wird, kann diese Studie keine Aussage darüber machen, durch welche biologischen Risikofaktoren diese Beziehung zu erklären ist.

Die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung wurde weder gemessen noch modelliert. Obwohl frühere Ergebnisse mit der aktuellen Studie reproduziert werden konnten, kann aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und –epidemielogischen Wissens die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden. Ob Confounder, Selektion oder Zufall bei dem beobachteten Abstandstrend eine Rolle spielen, kann mit dieser Studie nicht abschließend geklärt werden. Kein Wunder, dass die KIKK-Studie auch bei entschiedenen Gegnern der Kernkraft Ratlosigkeit verursacht und erhebliche Kritik an ihrer Methodik hervorgerufen hat. Dennoch verfolgt unser Antrag das Ziel, alle Erkenntnisse und Möglichkeiten aufzugreifen, um den Ursachen der Häufung von Leukämieerkrankungen in der Elbmarsch ein Stück näher zu kommen. So werden auch die Ergebnisse des Forschungsprojektes des Hamburger Uni-Klinikums Eppendorf, ob Kinderleukämie durch bestimmte Erbanlagen gefördert wird, einfließen. Dieses Ergebnis wird frühestens Mitte 2008 erwartet. Wir hoffen, dass die Bundesregierung unserer Forderung folgen wird, das Elbmarschgebiet als Modellregion zur Aufklärung der Zusammenhänge zu benennen.

Mit unserem Antrag, weitere Untersuchungen durchzuführen und die Bürgerinitiative einzubeziehen wollen wir ein Zeichen setzen, Misstrauen und Verunsicherung abbauen und einen weiteren Beitrag zur Erforschung der Leukämiefälle in der Elbmarsch leisten. Ich appelliere an alle Verantwortlichen und Betroffenen, sich an sachlicher und ideologiefreier Aufklärung zu beteiligen.

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Pressesprecher
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel
Telefon: 0431/988-1440

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