| Nr. 029/08
zu TOP 17: Notwendig ist ein differenzierter Maßnahmenkatalog
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Es gilt das gesprochene Wort
Jugendgewalt in Deutschland ist ein gesellschaftliches Problem, für das es keine Patentlösungen gibt. Eine Politik des Verschweigens, des Verharmlosens und der Tabuisierung würde Lösungsansätze allerdings behindern.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Lebenswirklichkeit sich verändert hat. Bürger meiden zunehmend öffentliche Verkehrsmittel und bestimmte Bereiche aus Angst vor Jugendgewalt.
Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Rechtsfreie Räume darf es in Deutschland nicht geben. Die Menschen erwarten mit Recht, dass der Staat alles daran setzt, seine Bürger entschlossen und erfolgreich vor kriminellen Übergriffen zu schützen. Vorrangig müssen alle Maßnahmen den Schutz potentieller Opfer von Straftaten im Blick haben.
Mit welchen Fakten haben wir uns zu befassen?
- Die Gewaltkriminalität in Deutschland ist in den letzten Jahren um 15 Prozent gestiegen.
- Jugendliche und heranwachsende Täter verüben rund 43 Prozent aller Gewaltdelikte.
- Auch wenn es zur Zeit nicht gerade populär zu sein scheint, so macht es doch keinen Sinn, es zu verschweigen: Die Jugendgewalt in unserem Land ist nun einmal nicht unerheblich geprägt von jungen Männern mit Migrationshintergrund.
Dies macht deutlich, dass nur mit einem differenzierenden Maßnahmenkatalog angemessene und zielgruppenorientierte Lösungen für das Problem der Jugendgewalt gefunden werden können. Damit der Staat seine Bürger wirksam vor Übergriffen schützen kann, müssen präventive und repressive Maßnahmen ergriffen werden, die sich nicht ausschließen, sondern sinnvoll ergänzen.
Den Blick nur auf die Prävention zu richten, ist hingegen der falsche Weg, denn es gibt keine Erfolgsgarantie, insbesondere dann nicht, wenn Betroffene und ihre Familie für vorbeugende Maßnahmen nicht zugänglich sind.
Die Ursachen für Kinder- und Jugendkriminalität sind so vielfältig wie wir Menschen selbst. Dennoch sind einige immer wiederkehrende Ursachenmerkmale festzustellen, die eindeutig mit dem Milieu, in dem die Jugendlichen aufwachsen und sich bewegen, zusammenhängen.
Der Verlust von Werteorientierungen, fehlende Zukunftsperspektiven und mangelnde soziale Kompetenzen können ebenso eine Rolle spielen wie eine schlechte Ausbildung, das Wohnumfeld oder die Überforderung der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder.
Auch Gewalt in den Medien und entsprechende Einflusswirkungen kommen als Auslöser von kriminellen Verhaltensweisen, insbesondere von Gewalthandlungen, in Frage.
Integrationsprobleme und eigene Gewalterfahrungen bei jungen Menschen ebenso wie mangelnde Sprachkompetenzen bei ausländischen Jugendlichen verstärken die Problemfelder. Diese kausalen Zusammenhänge werden durch sehr viele einzelne und mittlerweile soziologisch ausgewertete Biografien immer wieder bestätigt. Sie bilden einen festen und wesentlichen Bestandteil der Ursachen der Jugendgewalt.
Die Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Rahmenbedingungen erklären vieles, dürfen aber nicht als pauschale Entschuldigung herangezogen werden. Für die Tat und ihre Folgen ist vor allen Dingen der Täter selbst verantwortlich.
Die wichtigsten Beiträge für eine individuelle und nachhaltige Gewaltprävention leistet eine auf Wertevermittlung ausgerichtete Erziehung in der Familie. Schule und Freizeiteinrichtungen können die Erziehungsarbeit der Eltern unterstützen. Wo Defizite festgestellt werden, bedarf es gezielter Förderungen über die unterschiedlichen Entwicklungsphasen junger Menschen hinweg.
Der erfolgreichen Verhinderung von Gewaltkriminalität durch eine systematische und umfassende Präventionsarbeit kommt maßgebliche Bedeutung zu.
Es hat sich bereits eine Vielzahl so genannter Runder Tische als erfolgreiches Präventionsmodell etabliert – Kooperationen von Jugendämtern, Polizei, Justiz, Schulen und Ausländerbehörden. Eine flächendeckende Fortführung bewährter Programme muss systematisch verfolgt werden.
Erfolgreiche Prävention setzt voraus, dass Probleme erkannt und benannt werden. Studien belegen, dass sich ethnische Unterschiede im Gewaltverhalten von Jugendlichen durch familienspezifische Rahmenbedingungen und gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen erklären lassen.
Hier haben auch die Migrantenverbände eine Verantwortung, damit wir gemeinsam gegen innerfamiliäre Gewalt, falsch verstandene „Familienehre“ und mangelndes Rechtsbewusstsein vorgehen.
Wir müssen wissen, wo besondere Präventionsanstrengungen erforderlich sind. Die Benennung der Täter und besonders problematischer Milieus einschließlich der Herkunft darf deshalb nicht länger tabuisiert werden.
Hierzu gehört auch, dass Polizeistatistiken, die nur zwischen Deutschen und Ausländern unterscheiden, angepasst werden müssen, um gezielte Lösungen zu finden.
Wir müssen jugendlichen Tätern klare Grenzen setzen und durch rasche und konsequente Reaktionen den gesetzlichen Vorgaben Geltung verschaffen:
- Die Sanktion muss der Tat auf dem Fuße folgen. Nur eine rasche und konsequente Reaktion auf die Straftat beeindruckt jugendliche Täter. Urteile müssen deshalb schnellstmöglich ergehen, um Wirkung zu erzielen.
- Die verhängten Sanktionen müssen spürbar sein. Eine Staatsgewalt, die auch schwere Gewaltdelikte lediglich mit Weisungen, Verwarnungen und Auflagen ahndet, weitere Reaktionen aber zumeist ausklammert, wird von vielen jugendlichen Tätern nicht ernst genommen.
- Konfliktlösung ohne Gewalt müssen bestimmte jugendliche Straftäter frühzeitig lernen, nicht erst nach einer langen kriminellen Karriere. In Erziehungscamps oder Erziehungsinternaten mit therapeutischem Gesamtkonzept können sie den Alltag mit fester Struktur und Respekt vor anderen erleben. Auch als Alternative oder Ergänzung zur Haftstrafe kommt eine Unterbringung in einem – wenn nötig geschlossenen – Erziehungsheim oder in einem Präventionsprojekt in Betracht.
- Ständiges Fehlen im Schulunterricht sollte konsequent sanktioniert werden. Eltern sollten dazu angehalten werden, ihren Erziehungsauftrag zu erfüllen, um dem Anspruch ihrer Kinder auf Bildung gerecht zu werden.
Der Staat kann nur dann von Bürgern Zivilcourage und Einsatz fordern, wenn er selbst entschlossen genug mit jungen Straftätern umgeht.
Jugendliche und heranwachsende Straftäter spüren heute häufig erst nach einer Vielzahl sehr milder Sanktionen die Härte des Gesetzes. Bei Serien- und Intensivstraftätern verfehlen die uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht selten ihre Wirkung. Das derzeitige Instrumentarium des Jugendstrafrechts muss deshalb zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger ergänzt werden.
Die unionsgeführten Länder haben bereits in den Jahren 2003 bis 2006 mehrere Gesetzentwürfe zur Reformierung des Jugendstrafrechts vorgelegt. Alle Vorhaben sind am Widerstand der Bundesjustizministerin gescheitert. Die Justiz- und die Innenminister der unionsgeführten Länder haben die längst überfällige Reform des Jugendgerichtsgesetzes erneut angemahnt.
Deshalb unterstützen wir folgende Forderungen:
• Neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe soll es möglich sein, einen Jugendarrest als „Warnschussarrest“ zu verhängen, um dem Täter deutlicher als bisher die Konsequenzen seines Tuns vor Augen zu führen. Eine Strafaussetzung zur Bewährung darf nicht als Quasi-Freispruch empfunden werden.
• Das jugendstrafrechtliche Instrumentarium sollte ausgebaut werden: Ein Fahrverbot oder die Verhinderung des Erwerbs des Führerscheins sollte als eigenständige Sanktion auch für Straftaten außerhalb des Straßenverkehrs im Jugendstrafrecht verankert werden. In vielen Fällen erzielt man so einen größeren Effekt als mit anderen Sanktionen.
• Außerdem treten wir dafür ein, dass bei Tätern ab einem Alter von 18 Jahren bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts in der Praxis wieder zum Regelfall wird.
Nach den Ursachen für Jugendgewalt zu suchen, erfordert Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit sowie eine vielschichtige Analyse, die sich von ideologisch verfestigten Grabenkämpfen verabschieden muss. Nur mit diesem Lösungsansatz erzielen wir nachhaltige Ergebnisse, die sich für Gesellschaft, Täter und Opfer als hilfreich erweisen werden.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel