Wahlrecht | | Nr. 276/16
zu TOP 10 und 57: Für die Kommunen ist die zunehmende Zersplitterung ihrer Parlamente ein Problem
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Wir haben in und außerhalb des Innen- und Rechtsausschusses sehr intensiv über die vorliegenden Änderungen des Wahlrechts diskutiert. Das Ergebnis ist für mich in Teilen akzeptabel, in anderen Teilen aber auch enttäuschend. Der große Wurf ist das nicht!
Ein enormes Problem wird durch die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich gelöst. SPD, Grüne und SSW haben sich dem Vorschlag der CDU für eine Mehrheitsklausel angeschlossen. Wir erinnern uns noch an die absurde Situation in Boostedt nach der letzten Kommunalwahl. Dort hatte die CDU die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Die Mehrheit der Sitze in der Gemeindevertretung erhielt sie jedoch nicht. Den Wählerinnen und Wählern ist ein solcher Unfug nicht zu erklären. Deshalb ist es richtig, dass wir nun eine Mehrheitsklausel bekommen, die dafür sorgt, dass die Mehrheit der Stimmen auch die Mehrheit der Mandate bedeutet.
Leider hat sich die Koalition nicht getraut, dass Problem der Mehrheitsbildungen umfassend anzugehen. Und gerade deshalb bleibt das vorliegende Gesetz eine Enttäuschung. Der Wegfall der Sperrklausel auf kommunaler Ebene hat in vielen Kommunen zu enormen Problemen geführt. Ohne eine Sperrklausel ist in vielen Fällen der Weg für Kleinstgruppierungen in die Kommunalparlamente offen.
Die Umstellung des Berechnungsverfahrens von d\\'Hondt auf Saint-Lague/ Schepers hat den Trend zur Zersplitterung zusätzlich verstärkt. Ich weiß, dass viele hier im Haus es nicht wahrhaben wollen. Aber für die Kommunen ist die an vielen Stellen zu spürende Zersplitterung ein Problem. Denn eines müssen wir doch zur Kenntnis nehmen:
Die vielen Kommunalpolitiker, die sich mit großem Einsatz vor Ort engagieren, tun dies ehrenamtlich. Sie investieren ihre Freizeit, um für ihre Gemeinde und für ihren Kreis Politik zu gestalten. Eine zu breite Auffächerung der Vertretungskörperschaften erschwert das Gestalten aber zunehmend und macht es teilweise unmöglich. Entscheidungsprozesse werden unerträglich lang.
Für diejenigen, die sich kommunalpolitisch engagieren ist dies extrem frustrierend. Und auch für die Bürgerinnen und Bürger ist es kaum nachzuvollziehen, wenn Entscheidungen über wichtige Fragen nicht getroffen werden können. Demokratie braucht Entscheidungen und nicht nur das Verhindern eben solcher.
Ich hätte mir bei der jetzigen Reform ein klares Signal für die politische Handlungsfähigkeit der kommunalen Entscheidungsstrukturen gewünscht. Leider konnten sich anscheinend die Koalitionsfraktionen nicht auf ein solches einigen.
Was den Vorschlag der Piraten angeht, Bürgerentscheide für Angelegenheiten der Ämter einzuführen, bleiben wir bei unserer Ablehnung. Ihr Antrag entspricht ihrem konsequenten Schwarz-Weiß-Denken. Alles, wo Bürgerbeteiligung draufsteht, ist gut. Alles, wo es nicht draufsteht, ist schlecht.
Und ich merke mal an: Wenn wir die Bürger so beteiligen würden, wie sie dies mit ihren Anträgen in den letzten Jahren gefordert habe, müssten die Bürger ihre eigene Beteiligung hauptberuflich betreiben.
Die Ämter gleichen in ihrer Struktur nicht den Kreisen und Gemeinden. Wie die Bezeichnung schon sagt, sind sie Verwaltungseinheiten, deren Struktur nicht auf Bürgerentscheide ausgelegt ist. Wenn Sie unbedingt Bürgerentscheide wollen, müssen sie aus meiner Sicht die Struktur ändern. Allein der Aufkleber „Bürgerbeteiligung“ reicht nicht aus.
Eine wirkliche Reform des Wahlrechts wird es offenbar leider nicht geben. Wahrscheinlich, weil man sich auch hier in der Koalition nicht so richtig einigen konnte. Es hätte die Chance gegeben, den Kommunen für die Zukunft die Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Leider wurde diese von SPD, Grünen und SSW verpasst.
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Max Schmachtenberg
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