| Nr. 449/07
Vielfallt ist ein kultureller Schatz unseres Heimatlandes
Freigabe: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort.
heute beraten wir den sechsten Minderheitenbericht seit 1986 und ich möchte mich bei unserem Ministerpräsidentin Peter Harry Carstensen und unserer Beauftragten für Minderheiten und Kultur Caroline Schwarz und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für die ausführliche Aufarbeitung der Minderheiten -und Volksgruppenpolitik bedanken, zeigt sie doch den hohen Stellenwert, den die Minderheitenpolitik seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein innehat. Schließlich ist Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, in dem drei der vier nach dem Rahmenübereinkommen des Europarats geschützten Minderheiten leben:
die dänische Minderheit,
die friesische Volksgruppe und
die Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit.
Diese Vielfalt ist ein kultureller Schatz unseres Heimatlandes, den wir gemeinsam kraftvoll fördern und unterstützen wollen. Dies sieht die Landesregierung glücklicherweise genauso. So geht aus dem Bericht hervor, dass sie sich durchaus der Tatsache bewusst ist, dass die Minderheiten für ihre Arbeit verlässliche Rahmenbedingungen benötigen und finanzieller Mittel bedürfen.
Für diese hat sich das Parlament in seinen Haushaltsberatungen immer eingesetzt.
Es ist uns gelungen, im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, die Minderheiten trotz einer sehr angespannten Haushaltslage des Landes im Doppelhaushalt 2007 / 2008 von Haushaltskürzungen auszunehmen. Sollte es dennoch zu finanziellen Engpässen kommen, hat sich der Ministerpräsident grundsätzlich dazu bereit erklärt, besondere Maßnahmen der Minderheiten aus seinem Verfügungsfonds zu unterstützen – eine, wie ich finde, sehr lobenswerte und großzügige Zusage.
Seit dem letzten Minderheitenbericht im Jahr 2002 haben wir verschiedene minderheitenspezifische Regelungen und Sachverhalte in Landesgesetzen verankert bzw. neue Gesetze verabschiedet, wie zum Beispiel
das am 14. Dezember 2004 in Kraft getretene Friesisch-Gesetz, das dem erklärten Willen der Friesen entspricht, den Gebrauch der friesischen Sprache im öffentlichen Raum zu stärken und damit ihre Sprache und auch ihre Identität in Zukunft zu erhalten, oder das am 1. Oktober neu in Kraft getretene Gesetz zum Offenen Kanal Schleswig-Holstein, das in § 2 Absatz 1 ausdrücklich den Auftrag des Offenen Kanals, einen Beitrag zur Förderung der Minderheitensprachen, vorsieht
und nicht zuletzt das Schulgesetz.
Die letzte Fassung, die wir am 24. Januar diesen Jahres verabschiedet haben, sichert nach über 10 Jahren ab 2008 wieder die finanzielle Gleichstellung bei den Schülerkostensätzen für Schülerinnen und Schüler der dänischen Schulen im Vergleich zu den öffentlichen Schulen zu.
Damit erfüllen wir die Zusage aus dem Koalitionsvertrag, das im Jahr 2004 abgeschlossene Abschlusskommunique zwischen Landesregierung und Dansk Skoleforening for Sydsleswig ab dem Jahr 2008 umzusetzen.
Doch nicht nur mit finanziellen Mitteln wird die Arbeit der Minderheiten unterstützt und ihre gesellschaftspolitische Bedeutung gewürdigt.
So trägt z. B. auch die Kompetenz-Analyse mit dem Titel “Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland“, die der Landtagspräsident in Auftrag gegeben hat und deren Ergebnis Anfang nächsten Jahres vorliegen wird, trägt dazu bei, Minderheitenpolitik als Querschnittsaufgabe zu sehen. Die Analyse soll anhand der regionsspezifischen Gegebenheiten die Rolle der Minderheiten beleuchten und mit wissenschaftlichen Kriterien und Methoden untersuchen, ob ein sprachlicher, kultureller und wirtschaftlicher Mehrwert der Minderheiten für die Mehrheitsbevölkerung nachgewiesen werden kann – ein wie ich finde, sehr interessanter Ansatz. Der Schleswig-Holsteinische Landtag wird sich im kommenden Jahr ausführlich mit den Ergebnissen dieser Analyse zu befassen haben.
Auch der Sprachenchartabericht, den wir zuletzt im Juni diesen Jahres beraten haben, zeigt den hohen Stellenwert, den wir den Minderheiten zuerkennen. So zählt Deutschland zu den Staaten, die sich mit einer frühzeitigen Zeichnung und Ratifizierung der Sprachencharta zu einer aktiven Minderheiten- und Regionalsprachenpolitik bekannt haben und innerhalb Deutschlands nahm Schleswig-Holstein stets eine Vorreiterrolle ein. Von den in Deutschland geschützten Sprachen werden in Schleswig-Holstein die Minderheitensprachen Dänisch, Nordfriesisch und Romanes sowie die Regionalsprache Niederdeutsch, als traditionelle Sprache des Nordens, geschützt. Mit dem seit 2006 beim Bundesinnenministerium angesiedelten Beratenden Ausschuss für Fragen der niederdeutschen Sprache hat der Bund nunmehr auch für diese Sprachgruppe ein Gremium eingerichtet. Dies dient nicht zuletzt dazu, die Menschen in ihrem Bestreben zu unterstützen, die angestammte Sprache zu erhalten, die heimische Kultur zu pflegen und Traditionen und Brauchtum lebendig zu erhalten.
Im Anschluss an die Debatte des letzten Minderheitenberichts im Jahr 2002 haben wir einen fraktionsübergreifenden Antrag bezüglich des Minderheitenschutzes in einer europäischen Verfassung beraten und einstimmig verabschiedet. Ich freue mich daher sehr, dass der am 19. Oktober 2007 von den Staats- und Regierungschefs verabschiedete „Entwurf eines Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ eine entsprechende Regelung beinhaltet. So wird es zukünftig in Art. 2 des EU-Vertrages heißen, dass zu den Werten, auf die sich die Union gründet, einschließlich dem Recht der Personen, die Minderheiten angehören. In Artikel 3 wird im Zusammenhang mit den Zielen der Union die Wahrung des Reichtums der kulturellen und sprachlichen Vielfalt postuliert.
Dass insbesondere im Bereich der sprachlichen Vielfalt dem Dänischen, Friesischen und Niederdeutschen im Minderheitenbericht eine größere Bedeutung zukommt, liegt meines Erachtens nicht zuletzt an der Tatsache, dass – wie im Bericht erwähnt - die Angehörigen der Sinti und Roma keine allgemeine Zugangsmöglichkeit von Menschen außerhalb der Minderheit zu ihrer Sprache wünschen.
Dies stellt einen großen Unterschied zu den Dänen und Friesen dar, für die die Weitergabe der Sprache von hoher Bedeutung ist und die insofern ihre Sprache auch offensiv in die Öffentlichkeit tragen. So wurde z.B. mit Erlass des Verkehrsministerium vom 11. Juni diesem Jahres die Möglichkeit geschaffen, auf Antrag von Gemeinden mehrsprachige Ortstafeln aufzustellen, die neben dem Ortsnamen in der Amtssprache künftig auch die dänische Ortsbezeichnung enthalten.
Die dänische Sprache ist aber nicht nur für die Dänen in unserem Land von Bedeutung. Sie bereichert - wie auch die friesische - die deutsche und die europäische
Sprachenvielfalt und Kulturlandschaft insgesamt.
Insofern nimmt das Romanes der Sinti und Roma eine Sonderstellung ein, was aber nicht bedeutet, dass die Sinti und Roma keine Beachtung in der Öffentlichkeit finden.
Am 28. April 2005 hat das Europäische Parlament eine Entschließung zur Lage der Sinti und Roma und am 8.Juni 2005 eine Entschließung zum Schutz von Minderheiten und den Maßnahmen gegen Diskriminierung in einem erweiterten Europa gefasst. In dieser Entschließung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nationale Minderheiten zum Reichtum Europas beitragen.
Da die Sinti und Roma kein eigenes Minderheitengremium, wie das Nordschleswig-Gremium und das Friesen-Gremium haben, die unter dem Vorsitz des Landtagspräsidenten feste Institutionen geworden sind, besteht das Angebot, auf Wunsch bei aktuellen Problemstellungen oder Aussprachebedarf über Grundsatzthemen eine informelle Gesprächsrunde auf Einladung des Landtagspräsidenten unter Hinzuziehung der Fraktionsvorsitzenden und / oder minderheitenpolitischen Sprecher der Fraktionen sowie der Minderheitenbeauftragten einzuberufen. Auch hier ist also ein Meinungsaustausch gewährleistet.
Auch wenn es sich den Nordschleswigern nicht um eine Minderheit in Schleswig-Holstein handelt, sondern um die deutsche Minderheit in Dänemark, so gehören sie dennoch in den Minderheitenbericht der Landesregierung. Dem Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN), als die Hauptorganisation der deutschen Volksgruppen mit kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aufgabenbereichen, kommt hier besondere Bedeutung zu. Gern bekunden wir hier im Hohen Haus unsere Verbundenheit mit der deutschen Minderheit in Nordschleswig.
Ich freue mich, dass es unseren Bundestagsabgeordneten im Rahmen der Haushaltsberatungen gelungen ist, die drohenden Mittelkürzungen um 50.000 Euro beim Bund Deutscher Nordschleswiger abzuwenden.
Ferner hat der Bundestag Ende November Bundesmittel beschlossen, die Volksgruppe der Friesen in Höhe von 280.000 Euro zu fördern. Sie werden für Vorhaben in den Bereichen Sprachplanung und –entwicklung, zur Förderung investiver Maßnahmen sowie zur Förderung der Anwendung neuer Medien in friesischer Sprache gewährt.
Nicht zuletzt gewährt die Bundesregierung dem SSF (Sydslesvig Forening) im Rahmen der Projektförderung Zuschüsse für investive Maßnahmen. Derzeit ist für den Bau des dänischen Kulturzentrums in Flensburg im Zeitraum von 2006-2009 ein Bundeszuschuss in Höhe von insgesamt 732.000 Euro (jährlich von 183.000 Euro) vorgesehen. Bisher wurden durch die Bundesregierung das Museum „Danewerk“ bei Schleswig in Höhe von 175.000 Euro und der Umbau und die Sanierung des Theatersaals in Flensburg-Hus in Höhe von 488.000 Euro gefördert.
Auch die finanzielle Unterstützung der Minderheiten durch den Bund zeugt von einer konstruktiven Minderheitenpolitik und dem Wunsch nach einem bewussten und respektvollen Miteinander der Kulturen.
Sie versucht, der Minderheit Identität und Heimat zu geben.
Schließlich möchte ich mich noch bei den Deutschen Grenzverbänden,
dem ADS-Grenzfriedensbund,
dem Deutschen Grenzverein und
dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund
für ihr Engagement danken. Ohne ihren, oft auch ehrenamtlichen, Beitrag hätten die Minderheiten in Schleswig-Holstein sicherlich nicht die Anerkennung und Bedeutung, die ihnen zukommt und auch zusteht.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel