Landesverfassungsgericht | | Nr. 204/18
(TOP 5) Änderung der Landesverfassung ist keine gute Idee
Es gilt das gesprochene Wort
Der SSW hat mit der Drucksache 19/719 einen Entwurf zur Zulassung von Verfassungsbeschwerden vorgelegt. Der SSW möchte also die Verfassung unseres Landes und auch das Landesverfassungsgerichtsgesetz ändern.
Nun hat es bereits zu diesem Thema einen Sonderausschuss Verfassungsreform gegeben, dessen Ergebnisse im Jahr 2014 in die Landesverfassung eingeflossen sind. Ich meine, dass es durchaus angebracht ist, mit Verfassungsänderungen und grundsätzlichen Verfahrensänderungen beim Landesverfassungsgericht vorsichtig umzugehen. Nach 4 Jahren bedarf es also guter Gründe, um sich mit dem Thema erneut zu beschäftigen.
Ob diese Gründe vorliegen, sollten wir im Ausschuss im Einzelnen besprechen und beraten. Ich bin insoweit sehr skeptisch. Wenn man sich unser Landesverfassungsgerichtsgesetz ansieht, zeigt sich, dass hier bestimmte Verfahren in die Zuständigkeit des Gerichtes fallen:
Organstreitigkeiten, abstrakte Normenkontrolle, konkrete Normenkontrolle, kommunale Verfassungsbeschwerden, Wahlprüfung, die Beschwerde gegen die Nichtanerkennung als Partei oder die Streitigkeiten über die Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden.
Einen Individualrechtsschutz gibt es insoweit nicht. Wenn man also auf Landesebene Verfassungsbeschwerden einführt, würde es zu einer völlig anderen Struktur unseres bisherigen Landesverfassungsgerichtes führen. Auch wenn im damaligen Sonderausschuss in den Beratungen nicht festgestellt wurde, dass die Hauptamtlichkeit der Richter zwingend aus der Zulassung von Landesverfassungsbeschwerden folgen würden, so wurde stets betont, dass zumindest der Bedarf an Sach- und Personalkosten doch erheblich steigen würde. Da stellt sich dann die Frage, ob dieser Aufwand gerechtfertigt ist.
Guckt man sich die Zahlen beim Bundesverfassungsgericht über die Erledigungen von Verfassungsbeschwerden an, so ist festzustellen, dass der Anteil der Nichtannahmen von Verfassungsbeschwerden in der Regel über 98 Prozent beträgt. Diese Zahlen stärken die Skepsis dafür, ob der zusätzliche Aufwand tatsächlich gerechtfertigt ist.
Denn die Bürger Schleswig-Holsteins genießen ja einen ausgezeichneten Grundrechtsschutz. In Artikel 3 unserer Verfassung ist ausdrücklich festgelegt, dass die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Recht sind. Und entsprechend steht den Bürgern Schleswig-Holsteins auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde der Gang zum Bundesverfassungsgericht offen.
Unser Landesverfassungsgericht ist dagegen als eine Art Staatsgerichtshof konzipiert worden. In dieser Form hat es sich bewährt.
Aus meiner Sicht sind keine zwingenden Gründe vorhanden, die Expertise, die das Bundesverfassungsgericht für Verfassungsbeschwerden in den letzten Jahrzehnten, auch aufgrund der hohen Zahl von Verfassungsbeschwerden, ca. 6000 jährlich, gewonnen hat, nicht auch weiterhin für die Bürger Schleswig-Holsteins nutzen zu wollen. Im Übrigen sei abschließend noch darauf hingewiesen, dass auch landeseigene Grundrechte in der Verfassung Schleswig-Holsteins natürlich geltendes Verfassungsrecht in unserem Bundesland sind. Diese Grundrechte sind natürlich von den staatlichen Organen zu beachten. Insoweit sind auch unsere Gerichte gehalten, diese Grundrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten inzident zu berücksichtigen bzw. zu prüfen. Das Thema hat also viele Facetten. Deshalb sollten wir es weitergehend in dem Rechtsausschuss beraten. Ich bitte deshalb um Zustimmung für die Überweisung des Gesetzentwurfes in den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel