Bildung | | Nr. 381/18
(TOP 3 und 25) Heute ist ein guter Tag für das jüdische Leben in Schleswig-Holstein
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erinnern in diesem Jahr an viele prägende historische Einschnitte in unserer Geschichte. Ich möchte heute mit meiner Rede am Anfang an die Reichsprogrom-Nacht erinnern, welche sich morgen zum 80. Mal jährt. Dieses Datum steht für eine menschenverachtende Brutalität sowie Grausamkeit gegen das jüdische Leben und die Menschlichkeit, welche sich wie eine Welle über Deutschland aber eben auch über Schleswig-Holstein in der dunkelsten Zeit unserer Geschichte ergoss.
In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 versammelten sich in Kiel auf dem heutigen Rathausplatz, dem damaligen Adolf-Hitler-Platz, zahlreiche SA, SS und NS-Parteianhänger, um die Synagoge in der Goethestraße zu zerstören. Heute erinnert ein Mahnmal an diese Tat mitten in unserer Landeshauptstadt. In der gleichen Nacht wurden auch Privatpersonen angegriffen und Eigentum zwangsenteignet oder zerstört. In den Jahren danach folgten weitere Verfolgungen, Deportationen und Massenmorde.
Worte können das erlebte Leid kaum in Worte fassen. Der Zeitzeuge Leonhard Zimmak beschreibt sein Erleben in den letzten Kriegstagen wie folgt:
„Am 14. April 45 wurden wir in Marsch gesetzt in Richtung Kiel und sind dort (…) wieder im KZ angekommen (…) ich selbst war sehr viel gewöhnt, aber Kiel, das Arbeitserziehungslager Hassee, war die Hölle, geleitet von Bestien in Menschengestalt.“
Die antisemitischen Strömungen, Verfolgungen, die daraus resultierende Flucht aus Deutschland und Morde trugen dazu bei, dass sich die Zahl der Einwohner Schleswig-Holsteins mit jüdischem Glauben um zwei Drittel verringerte. Ungefähr 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder wurden deportiert und verloren Ihr Leben. Und das alles hier bei uns in Schleswig-Holstein.
Es sind diese Ereignisse, die uns eine besondere Mahnung sein müssen. Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Leben in Schleswig-Holstein.
Und im großen Kontext: Genauso haben wir eine besondere Verbindung zum Staat Israel. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dies in Ihrer viel beachteten Rede 2008 in der Knesset unterstrichen, ich zitiere:
"Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar. Und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben."
Wir in Schleswig-Holstein sind uns dieser Verantwortung bewusst und lassen Worten auch Taten folgen:
Heute verabschieden wir in zweiter Lesung einen neuen Staatsvertrag mit den jüdischen Landesverbänden, der die Unterstützung von jüdischem Leben auf neue Beine stellt. Insgesamt weiten wir die Förderung der jüdischen Gemeinden um 300.000 Euro aus. Daneben stellen wir im Rahmen des Impuls-Programms weitere 500.000 Euro für Investitionen zur Verfügung. Viele jüdische Gemeinden sind in prekären Immobilien untergebracht, die unter Gesichtspunkten von Ausstattung, aber auch Brandschutz und Sicherheit nur schwer hinnehmbar sind. Gerade hier in Kiel ist es schon absehbar, dass uns dieses Thema trotz der geplanten Investitionsmittel noch weiter beschäftigen wird.
Es geht uns aber auch darum, offenen Antisemitismus unserer Zeit entschieden entgegen zu treten. Offen judenfeindliche Äußerungen, aber auch direkte Angriffe auf jüdische Einrichtungen oder Restaurants in der jüngeren Zeit in Deutschland lassen uns aufhorchen.
Unser Antrag ist dabei ein wichtiger Bestandteil, um gerade im Jahr der politischen Bildung 2019 hier ein Zeichen zu setzen. Wir wollen in den Schulen eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Judentum, den Besuch von Synagogen und Gedenkstätten fördern, gerade Lehrer auf dieses Thema stärker sensibilisieren, genauer Schulbücher auf das Thema Antisemitismus überprüfen und den deutsch-israelischen Jugendaustausch weiter unterstützen.
Ich freue mich aber auch sehr, dass wir nicht nur Geld zur Verfügung und Anträge stellen, sondern auch selbst als Schleswig-Holsteinischer Landtag tätig werden. Der Ältestenrat, aber auch die CDU-Landtagsfraktion werden in den kommenden Monaten Reisen nach Israel unternehmen und dort auch den direkten Austausch pflegen. Und ich freue mich sehr, dass der Ältestenrat auch die Fraktionen eine Gründung eines parlamentarischen Freundeskreises zur deutsch-israelischen Zusammenarbeit unterstützt.
Noch wichtiger allerdings ist für mich die Anmerkung, dass der Austausch mit jüdischem Leben in Schleswig-Holstein und die Zusammenarbeit mit Israel nicht alleine auf die Vergangenheit ausgerichtet sein sollte. Israel ist ein spannendes und aufregendes Land, dass sich nicht nur als Urlaubsziel eignet. Nur zwei Themen der möglichen Zusammenarbeit möchte ich hier als Anregung noch einmal exemplarisch nennen.
Zum einen hat das Literaturhaus Schleswig-Holstein dieses Jahr Israel zum Schwerpunktland ausgewählt. Die Auftaktveranstaltung in Lübeck war ein spannendes Zusammentreffen von Sprache, Worten und natürlich Kultur. Eine Bereicherung für alle, die mitgemacht haben. Gerade Literatur und Kultur allgemein kann verbinden.
Zum anderen ist gerade die Gründerszene in Israel besonders belebt, von der viele Start-Ups in Schleswig-Holstein profitieren könnten. Erste Verbindung in die Kreativwirtschaft bei uns in Schleswig-Holstein bestehen auch schon. Ein weiteres Feld der Zusammenarbeit, was alle Kollegen ja mit als Anregung für die anstehenden Reisen nehmen können.
Für uns muss es also nicht nur darum gehen, in die Vergangenheit zu gucken. Heute ist mit unseren Beschlüssen hier im Landtag ein guter Tag für das jüdische Leben in Schleswig-Holstein und die Deutsch-Israelische Zusammenarbeit. Von Tagen wie diesen wünsche ich mir noch mehr in der Zukunft.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel