Gemeinsam gegen Antisemitismus | | Nr. 407/19
TOP 36: Gemeinsam gegen Antisemitismus
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
9. November 1938 in Schleswig-Holstein
am vergangenen Wochenende haben wir am 9. November an die Reichspogramnacht erinnert. Einer der dunkelsten Tage der deutschen Geschichte.
Der 9. November 1938 ist auch ein Teil der schleswig-holsteinischen Geschichte.
Gegen 3 Uhr morgens versammelten sich hier in Kiel auf dem damaligen „Adolf-Hilter-Platz“ dem heutigen Rathausplatz SA- und SS-Männer und Parteimitglieder. Wer noch in Uniform war, erhielt im Rathaus zur Tarnung Bürojacken. Dann ging es auf Lastwagen mit Benzinkanistern zur Synagoge in der Goethestraße/ Ecke Humboldtstraße. Im Inneren wurden Tische und Stühle zertrümmert und Scheiben eingeschlagen. Dann wurde mit Benzin und Sprengstoff Feuer gelegt. Erst nach der Detonation wurde der Feuerwehr gestattet, den Brand zu bekämpfen. Im Brandbericht der Feuerwehr stand dann, wider besseres Wissen: „Mutmaßliche Entstehungsursache der Brände durch: unbekannte Ursachen.“
Ähnliches trug sich auch in Lübeck, Bad Segeberg, Elmshorn, Rendsburg, Flensburg, Friedrichstadt, Kappeln und Satrup zu. Die Ereignisse in dieser Nacht bilden, wie wir alle wissen, die Grundlage einer darauf aufbauenden Geschichte an nicht zu übertreffender Grausamkeit gegen die Menschlichkeit.
Und oft ist in Reden zum 9. November zu hören.
Nie wieder!
Nie wieder Antisemitismus!
Nie wieder Rassismus!
Nie wieder Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen!
Nie wieder!
Ereignisse in Halle
Und gerade deshalb rütteln uns die Ereignisse in Halle wach. Denn es werden wieder Waffen gegen jüdische Einrichtungen in Deutschland erhoben. Wir solidarisieren uns deshalb mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Und wir stemmen uns gegen Extremismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft.
Besuch in der Kieler jüdischen Gemeinden
Ich bin am Tag nach dem Anschlag in beiden jüdischen Gemeinden in Kiel gewesen. Als ich an der Tür einer der Gemeinden geklingelt habe, war man sich unsicher, ob man die Tür öffnen sollte. Ein Gemeindemitglied sagte zu mir an der Tür: „Wir leben in unsicheren Zeiten.“ Auch bei uns in Schleswig-Holstein sind die jüdischen Gemeinden verunsichert. Unser Innenminister und unsere Kulturministerin arbeiten hier eng zusammen. Es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass Menschen jüdischen Glaubens sich sicher bei uns fühlen und offen ihren Glauben ausleben können. Wir wollen deshalb die Sicherheitsmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen noch einmal überprüfen und wir versprechen, dass wir auch das notwendige Geld in die Hand nehmen werden, um dieses Ziel zu erreichen.
Gesellschaftliches Engagement
Und wir brauchen einen breiten Konsens in unserer Gesellschaft gegen Antisemitismus. Es engagieren sich schon viele dafür. Es gibt auch die andere, die gute Seite. Am vergangenen Samstag haben viele Organisationen sich auf den Weg gemacht, um Stolpersteine zu putzen und an die Verfolgung gerade von Juden zu gedenken. Auch während einer Demonstration in Bad Segeberg gedachten über 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Reichspogromnacht. Die Nordkirche hat zur zentralen Veranstaltung zum Reformationstag das Thema Versöhnung gewählt und diese zusammen mit den jüdischen Gemeinden vorbereitet. Zugegeben an der Veranstaltung haben in erster Linie schon „Bekehrte“ teilgenommen. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir Menschen erreichen, die sich nicht regelmäßig mit diesem Themen auseinandersetzen. Aber es gibt viele Initiativen, die sich dafür einsetzen jüdischen Leben in der Gesellschaft sichtbar zu machen.
Engagement der Landesregierung und des Landtages
Auch wir hier im Landtag und die Landesregierung sind nicht untätig gewesen. Wir haben einen neuen Staatsvertrag mit den jüdischen Landesverbänden auf den Weg gebracht, der sicherstellt, dass religiöse Handlungen durchgeführt werden können. Und wir haben Investitionsmittel zur Verfügung gestellt. Ich freue mich sehr, dass wir in Kiel sehr bald eine neue Synagoge in der Waitzstraße – an einem zentralen und sichtbaren Ort – einweihen können. Dieser Ort wird auch eine wichtige Begegnungsstätte, um über jüdisches Leben aufzuklären und zu informieren. Das Wissen übereinander ist wichtig für eine Gesellschaft ohne Vorurteile und ohne Antisemitismus. Da spielt auch die politische Bildung eine wichtige Rolle. Deshalb freue ich mich, dass der Landesbeauftragte für politische Bildung sich heute schon regelmäßig diesem Thema annimmt und in Zukunft noch mehr tun wird. Und wir wollen auch noch einmal die Fachanforderungen auf dieses Thema hin überprüfen, um auch im Schulunterricht eine Sensibilisierung zu unterstützen.
Und schließlich werden wir einen Beauftragten für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus einrichten. Um auch bei der Landesregierung, wie in vielen anderen Bundesländern, einen zentralen Ansprechpartner für dieses Thema zu haben.
Nie wieder!
Danke, dass Sie mir zugehört haben.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel