Fischerei | | Nr. 302/21
TOP 28 + 32: Fischer dürfen nicht allein gelassen werden!
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
es gibt nichts zu deuteln, es gibt nichts zu beschönigen: Der Zustand der Bestände von Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee ist dramatisch schlecht. Das hat jetzt dazu geführt, dass es keine gezielte Fischerei mehr auf diese „Brotfische“ gibt und nur noch geringe Beifangmengen erlaubt sind. Die Fangquoten sind um 50 % beim Hering und um 88 % beim Dorsch reduziert, die Angelfischer dürfen maximal einen Dorsch pro Tag fangen.
Die angehobenen Fangquoten bei Scholle (+ 25%) und Sprotte (+ 13%) können die Umsatzverluste keinesfalls ausgleichen. Die Ostseefischerei steht somit in einer tiefen Krise, die die Fischereibetriebe, die Angelkutter und auch die Vermarktungsgenossenschaften an Land in ihrer Existenz bedrohen.
Wie konnte es dazu kommen?
Die Wissenschaft nennt im Wesentlichen zwei Gründe:
zum einen spielt natürlich der Fischereidruck, d.h. die entnommenen Mengen durch die Fischerei eine Rolle – das ist klar!
Zum anderen spielen die sich verändernden Umweltbedingungen durch die Erwärmung der Ostsee eine entscheidende Rolle. Dadurch laichen die Fische zu früh ab, bevor genug Nahrung für die Larven vorhanden ist. Dies ist also auch eine Folge des Klimawandels, der uns unmittelbar betrifft.
Was ist nun zu tun?
Natürlich muss es Ziel sein, die jetzt flauen Fischbestände sich erholen zu lassen. Ob die jetzt beschlossenen Maßnahmen dieses Ziel erreichen, ist keineswegs gesichert, so die Wissenschaftler. Dennoch sollte man alles dafür tun, auch in Zukunft eine nachhaltige, regionale Versorgung mit regionalen Produkten wieder zu erlangen und zu sichern.
Dafür sollte man zwei Handlungsstränge verfolgen: Einerseits ist – wie im Antrag formuliert – ein langfristiges, mit den Betroffenen abgestimmtes ganzheitliches Konzept zur Zukunft der Erwerbs- und Angelfischerei in der Ostsee zu erarbeiten. Der Erhalt der Fischerei und der Vermarktungsstrukturen an Land sollte mit dem Wiederaufbau der Fischbestände und deren nachhaltiger Nutzung verbunden werden. Das wäre langfristig anzugehen.
Andererseits sind kurzfristig Dinge anzustoßen, die den Betroffenen jetzt und gleich helfen. Sonst läuft man Gefahr, dass sich eine ungewünschte Dynamik entwickelt und Fakten schafft, die gute, langfristige Konzepte hinfällig macht.
Hier sind verschiede Instrumente anzusprechen, auf die die gewerblichen Fischereibetriebe, die Angelkutter oder auch die Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften zurückgreifen könnten, z.B.
- Ein sozialverträglicher Ausstieg für Betriebe ohne wirtschaftlich tragfähige Perspektive (Abwrackprämie).
- Eine befristete Stilllegung als Überbrückung für Betriebe, die weitermachen wollen.
- Die Erbringung von Dienstleistungen für wissenschaftliche Forschungsfragen, die bisher nicht ausreichend bearbeitet werden konnten.
- Die Förderung möglicher Zusammenschlüsse oder Neuausrichtungen von Organisationen an Land.
Diese Punkte sind etwas konkreter als im Antrag formuliert, sollten aber ernsthaft geprüft und vor allem auch mit den Betroffenen diskutiert werden. Wichtig ist, wie immer auch die betriebliche Entscheidung ausfällt, eine Perspektive zu entwickeln, die auch in dieser Krisensituation helfen kann.
Das alles kann das Land nicht allein wuppen. Das muss auch mit Mecklenburg-Vorpommern und dem Bund besprochen und geregelt werden. Daher ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung zu einem Runden Tisch „Zukunftskonzept für die Ostseefischerei“ für Ende November eingeladen hat. Dort sollte die Chance ergriffen werden, gut vorbereitet mit klaren und mit der Fischerei abgestimmten Positionen in die Gespräche zu gehen. Dabei sind natürlich die europarechtlichen Regelungen zu beachten.
Und irgendwie muss dieser Prozess nicht nur organisiert, sondern auch ausreichend finanziert werden. Hier kommt u.a. der auf europäischer Ebene eingesetzte Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds in Frage, der für eine solche besondere Situation mit ausreichenden Finanzmitteln zur Verfügung stehen sollte.
Das alles wird eine schwierige Nummer, aber die Lage ist so dramatisch, dass auch auf Landesebene sehr zügig zu Gesprächen eingeladen werden muss.
Fest steht, dass die nötigen Konzepte nur von Bund und Küstenländern gemeinsam mit den betroffenen umgesetzt werden können; dass die dafür erforderlichen Mittel bereitgestellt werden müssen und dass wir die Dorsch- und Heringsfischer, die Angelkutterbetriebe und die Erzeuger- und Vermarktungsorganisationen in dieser wohl größten Herausforderung ihrer Geschichte nicht allein lassen dürfen.
Das haben wir in dem gemeinsamen Alternativantrag der Jamaikafraktionen so formuliert. Wir bitten um Abstimmung in der Sache.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel