Küstenschutz | | Nr. 422/23
TOP 24: Hallo Berlin, wo bleibt die Solidarität mit Schleswig-Holstein?
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Präsidentin,
meine Damen und Herren,
die Sturmflut am 20./21. Oktober hat uns gezeigt: Infrastruktur und Sachwerte wurden erheblich beschädigt, Existenzen sind bedroht worden und auch das Leben von Ostseeküsten-Bewohnern war in ernsthafter Gefahr. In Arnis und Maasholm z.B. musste evakuiert werden.
Die Konsequenz steht fest und dazu bekennen wir uns klar:
Küstenschutz hat eine übergeordnete Bedeutung und der Schutz von Menschen, Infrastruktur und Sachwerten ist unbedingte Handlungsmaxime. Das muss für unsere Küsten an Nord- und Ostsee gleichermaßen gelten, auch wenn die Küsten nicht gleich sind und es unterschiedliche Herausforderungen im Küstenschutz gibt.
Die Nordseeküste ist durch die Gezeiten geprägt und die Festlandsküsten der Nordsee sind bis auf zwei kleinere Abschnitte in St. Peter-Ording und Schobüll komplett durch Landesschutzdeiche gesichert. Anders unsere Ostseeküste: Von den 465 km Festlandküste inklusive Schlei und ohne die Insel Fehmarn von Krusau bis Travemünde sind nur etwa 80 km von Deichen gesichert. Davon rund 40 km Landesschutzdeiche und rund 40 km Regionaldeiche. Und dann ist es selbstverständlich richtig, dass das Umweltministerium auch die Regionaldeiche bewertet: Welche Schäden haben die Deiche vom Sturmhochwasser davongetragen? Was muss an den Deichen repariert werden? Wie müssen die Deiche zukünftig ausgebaut sein? Und welche Regionaldeiche sollten besser in Landesschutzdeiche umgewidmet werden? Das ist alles schon angelaufen und braucht hier nicht noch mal extra beschlossen werden.
Mit einer Umwidmung alleine ist aber noch kein Deich repariert oder aufgerüstet. Außerdem sind die Regionaldeiche auch alle örtlich sehr unterschiedlich beschaffen und haben örtlich individuelle Schutzfunktionen. Ein Standarddeich für die Ostseeküste wird bei uns in Schleswig-Holstein nicht unbedingt die richtige Lösung sein. Insgesamt ist unsere Ostseeküste eben örtlich sehr unterschiedlich. Und die anderen 385 km Ostseeküste ohne Deiche mit Steilufern, Niederungen, Stränden, Häfen und Anlagen bis in die Förden hinein müssen auch geschützt werden. Der Antrag der SPD greift da zu kurz.
Bei der Erstellung der Gesamtstrategie „Entwicklung Ostseeküste 2100“ muss der Blick noch zukunftsfester auf den Anstieg des Meeresspiegels, länger anhaltende Starkwindfelder, höhere Hochwasserstände und zunehmende Seegangbelastung gerichtet werden. Nur physikalische Abtrags- und Anlandungsprozesse der sogenannten Ausgleichsküste zu betrachten genügt nicht. Wir haben ja z.B. in Langballigau und andernorts leidvoll gesehen, dass der an Steilufern freigesetzte Sand die Strände und Niederungen nicht ausreichend stabilisiert. Und in Gebieten, die primär für die Natur relevant sind, soll Küstenschutz ja auch möglichst naturverträglich gestaltet werden. Naturverträgliche, alternative Küstenschutzmaßnahmen wie Treibseldünen, bakterielle Bodenverfestigungen, Bodenschwellen, Seegrasmatten, Riffe, Muschelbänke, Baggergutverwendung, mobile Überlaufsysteme oder die Vernässung von Hinterlandarealen sollten in die Küstenschutzplanung aufgenommen werden. An den Hafenspitzen und in den Städten von Flensburg, Schleswig, Eckernförde, Kiel und vielerorts an der Ostseeküste haben wir dann wieder andere Herausforderungen.
Die Gesamtstrategie muss sich eben auch damit befassen, wie nicht von Deichen geschützte Hafenanlagen, Strände und von Abbruch bedrohte höhere Lagen geschützt werden können. Insofern ist die Gesamtstrategie wichtig für die zukünftige Küstensicherung an der Ostsee.
Kurzfristig ist es nun aber dringlich, dass mit den Reparaturen insbesondere an den beschädigten Deichen aber auch anderen Küstenschutzanlagen begonnen wird. Dazu erwarten wir nun auch Hilfen vom Bund. Im Rahmen der Besprechung der Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler Scholz am 06.November wurde vereinbart, dass eine Bund-/Länder-AG eine Lösung innerhalb von zwei bis drei Wochen herbeiführen soll. Und bei seinem Besuch in Arnis hat Bundeswirtschaftsminister Habeck zu einem Solidaritätsfonds, über den von Bund und Ländern nachgedacht werde, Hoffnungen geweckt. Zitat NDR vom 18. November: Habeck: „Ich geh davon aus, dass das klappt. Ich habe das bei der Ministerpräsidentenkonferenz wie so ein Handschlag verstanden; genau das machen wir so“.
Wie wir mit Unterrichtung des Ministers der Staatskanzlei letzte Woche nun aber erfahren durften, konnte vom Bund eine zufriedenstellende Antwort auf seine Finanzierungsbeteiligung im Ergebnis durch den Bund noch nicht gegeben werden. Und die Bundesregierung stellt in ihrem Bericht vom 5. Dezember fest, dass sie nicht von einem Schaden mit nationalem Ausmaß ausgeht und dass neben den sowieso bereitgestellten GAK-Mitteln eine weitergehende Förderung des Bundes abgelehnt wird. Also wohl doch keine kurzfristige Lösung und kein Solidaritätsfonds! Ist das etwa alles ein Missverständnis? Oder will man sich in Berlin nicht an Absprachen erinnern?
Hallo Berlin; hallo Kanzler Scholz, Minister Habeck: Wo bleibt die Solidarität mit Schleswig-Holstein? Wir warten!
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel