Parität | | Nr. 118/19
(TOP 20) Stabilität des Grundgesetzes bleibt oberstes Gebot
Es gilt das gesprochene Wort
Anrede,
die SPD beantragt alle erforderlichen gesetzlichen Regelungen auf den Weg zu bringen, die eine Geschlechterparität in den Parlamenten und weiteren öffentlichen Vertretungskörperschaften herstellt.
Ich habe große Zweifel, dass ein solches Ziel mit einfachgesetzlichen Maßnahmen zu erreichen ist.
Denn wie jedes Gesetz muss sich auch ein solches Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG an den Regelungen unserer Verfassung messen lassen. Und daran dürften zumindest die bislang diskutierten Varianten scheitern.
Eindeutig ist: Unser Grundgesetz verlangt eine geschlechterparitätische Besetzung unserer Parlamente genauso wenig, wie irgendeine andere paritätische Besetzung, z. B. nach Herkunft, Alter, Religion oder Behinderung. Das Grundgesetz geht vielmehr von einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie aus, in der die einzelnen Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Dabei geht alle Staatsgewalt vom Volke aus (Art. 20 Abs.2 GG) und wird durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Das sind nicht nur objektive Rechtsprinzipien, sondern vermitteln auch subjektive, grundrechtsgleiche Rechte.
Damit sind aber meiner Meinung nach alle Regelungen unvereinbar, die das Ergebnis der Wahl von vornherein in irgendeiner Form festlegen.
Darüber hinaus gibt es noch weitere verfassungsrechtliche Freiheits- und Gleichheitsrechte, die von einer gesetzlichen Regelung betroffen, bzw. beeinträchtigt wären. Der wissenschaftliche Dienst hat dies im Umdruck 19/1996 ja sorgfältig dargelegt. Aber auch in die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs.1 GG), die den Parteien die staatlich unbeeinflusste Aufstellung ihrer Kandidaten garantiert, würde eingegriffen.
Wenn also einfachgesetzliche Regelungen scheitern, bleibt natürlich die Frage, ob das Ergebnis mit einer Verfassungsänderung zu erreichen wäre. Auch das dürfte problematisch sein, da die Gleichbehandlung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts eine wesentliche Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstellt.
Festzustellen ist, dass es sich nicht um ein Problem der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau handelt. Die ist erreicht, das räumt ja auch der SPD Antrag ein. Aber die faktische Gleichstellung erscheint bislang ja noch nicht erreicht. Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht durch andere Maßnahmen der Anteil von Frauen in den Parlamenten erhöht werden kann. Aber das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, auch gerade eine Herausforderung an die Parteien, wie sie eine verbesserte Partizipation von Frauen erreichen wollen.
Auch gesetzliche Maßnahmen, die nicht verfassungskritisch sind, wären ja durchaus möglich. Aber um gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen zu verändern, müssen doch die Gründe herausgearbeitet werden, warum der Frauenanteil in den Parlamenten geringer ist. Erst dann kann man ja die entscheidenden Gründe – und die dürften vielfältig sein – abstellen oder verändern.
Deshalb ist es sinnvoll, sich mit diesem Thema weiter zu beschäftigen und den Antrag in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Realität und verfassungsmäßigen Prinzipien. Wie dieses Spannungsverhältnis aufzulösen ist, haben die bisherigen Lösungsvorschläge noch nicht überzeugend dargelegt.
Ich möchte mit Nachdruck dafür werben, mit unserer Verfassung und ihren tragenden Prinzipien sehr sorgfältig und vorsichtig umzugehen. Das Grundgesetz hat sich seit 1949 als die stabilste und beste Verfassung, die wir je in Deutschland hatten, bewährt. Diese Stabilität sollten wir nicht aufs Spiel setzen, auch wenn das Ziel noch so gut gemeint ist.
Bislang hat die Diskussion noch keinen Vorschlag für eine verfassungsrechtlich haltbare gesetzliche Regelung hervorgebracht. Das spricht aber dafür, die Diskussion fortzuführen und zu versuchen einen solchen Vorschlag zu entwickeln.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel