Kita | | Nr. 137/19
(TOP 2) Ein echter Durchbruch in der Finanzierung der KiTa-Reform
Es gilt das gesprochene Wort
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
meine eigene KiTa-Zeit liegt nun schon fast 40 Jahre zurück:
Ich ging damals im Alter von 3 bis 6 Jahren in den Kindergarten. An eine Kinderbetreuung für unter Dreijährige war in den 70er Jahren noch überhaupt nicht zu denken.
Mein Kindergartenbesuch war halbtags und das auch nur an zwei bis drei Tagen in der Woche. Die KiTa diente vor allem dazu, den Kontakt mit anderen Kindern zu fördern. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war dagegen nicht das ausschlaggebende Motiv.
Es war eine evangelische Kindertagesstätte, bei der sich die damalige Nordelbische Kirche ganz wesentlich an der Finanzierung beteiligte.
Bildung in der Kita gab es zu der Zeit zwar auch schon, allerdings nicht als generellen Bildungsauftrag, sondern wenn ich es richtig erinnere ausschließlich in Form einer Vorschulstunde pro Woche im letzten KiTa-Jahr.
Das alles ist wie gesagt fast 40 Jahre her. Seitdem haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändert: Beide Eltern arbeiten heutzutage oder wollen dieses tun. Auf derartig veränderte Lebensverhältnisse und Erwerbsbiographien muss die Politik reagieren und dazu passende Rahmenbedingungen schaffen.
Das hat der Bund getan, indem er im Jahr 1996 den Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz gesetzlich festgeschrieben hat. Seit 2013 gilt das auch für alle Kinder nach Vollendung des ersten Lebensjahres. Allerdings, ohne dass der Bund damit die Finanzierung der Kinderbetreuung übernommen hätte.
Stattdessen ist das Land im Jahr 2004 mit 60 Millionen Euro in die KiTa-Finanzierung eingestiegen. Allerdings blieb dieser Betrag in den nächsten 6 Jahre auf diesem Niveau gedeckelt.
Erst im Jahr 2011 und dann wieder 2017 wurde der Betrag um jeweils 10 Millionen Euro aufgestockt. Allerdings eher ein symbolischer Aufschlag, wenn man sich die zwischenzeitlich äußerst dynamische Kostenentwicklung vor Augen führt.
Für die U3-Betreuung einigten sich Land und Kommunen im Jahr 2012 auf die Anerkennung der Konnexität. Allerdings nur für die ab 2012 neu geschaffenen Krippenplätze. Dieser separate Finanzierungsstrang wuchs bis zum Ende der letzten Wahlperiode auf 50 Mio. Euro auf.
Dieser kleine Rückblick zeigt, wie das heutige System der Kinderbetreuung historisch gewachsen ist und wie sehr es sich bei den einzelnen Entscheidungen um politisches Stückwerk gehandelt hat.
Am Ende umfasst dieses Stückwerk sieben verschiedene Fördererlasse mit 13 Regelungsbereichen und 32 unterschiedlichen Kriterien der Zuordnung.
Und das Ergebnis davon ist die höchste Elternbelastung bundesweit. In keinem anderen Bundesland müssen sie so viel ihres verfügbaren Einkommens für Kinderbetreuung einsetzen, wie in Schleswig-Holstein – nämlich im Durchschnitt stolze 9 Prozent!
Zugleich zeichnet sich schon heute ab, dass der Bedarf weiter ansteigen wird: Im U3-Bereich ist der Platzbedarf gegenüber der angepeilten 35 Prozent-Versorgung mit Werten von 50 bis 60 Prozent vielerorts längst überschritten.
Bei den über Dreijährigen geht der Trend hin zu Ganztagsbetreuung. Der Wunsch nach Angeboten für Früh- und Spätzeiten steigt, ebenso nach Betreuung über Nacht und in den Ferien.
Mit den zunehmenden Betreuungszeiten in der KiTa steigt aber zugleich auch die Erwartung an die Qualität der Kinderbetreuung. Immer stärker rückt der Aspekt der frühkindlichen Bildung in den Mittelpunkt!
Mit dieser Entwicklung können und dürfen wir unsere Kommunen nicht allein lassen. Schon heute tragen sie die Hauptlast der Kinderbetreuungskosten. Wenn aber sowohl Eltern als auch Kommunen in Schleswig-Holstein besonders stark belastet sind, dann kann das nur bedeuten, dass das Land in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig getan hat!
Meine Damen und Herren, es ist deshalb Zeit für eine große Kita-Reform in Schleswig-Holstein!
Und genau das haben wir uns als Jamaika-Koalition vorgenommen und genau das setzten wir jetzt auch um!
Es gilt dabei der Dreiklang aus Qualitätsverbesserung, Deckelung der Elternbeiträge und Entlastung der Kommunen.
Stattdessen wie die SPD einzig und allein auf kostenfreie KiTas zu setzten, ist dagegen kein kluges Konzept. Alle drei Aspekte gehören untrennbar zusammen. Ein isoliertes Vorgehen auf nur einer Seite führt ansonsten nämlich zu umso größeren Verwerfungen in den beiden anderen Bereichen.
Die Beispiele aus anderen Bundesländern zeigen, wie sehr die Einführung kostenfreier KiTas dort zu Lasten der Qualität geht. Dafür ist dann nämlich kein Geld mehr vorhanden.
Damit der Dreiklang gelingt, nehmen wir in dieser Legislaturperiode rund 1 Milliarde Euro zusätzlich in die Hand. Und nur den kleinsten Teil davon steuert der Bund mit weniger als 200 Mio. Euro zu.
Pro Jahr bedeutet das, dass sich die Landesausgaben von 216 Mio. Euro im Jahr 2017 auf rund 470 Mio. Euro am Ende der Wahlperiode mehr als verdoppeln werden!
Das ist eine gewaltige Anstrengung, die den Landeshaushalt an die Grenze seiner Belastungsfähigkeit bringt.
Wer darüber hinaus auch noch kostenfreie KiTas verspricht, der müsste weitere 260 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Macht also im Laufe einer Wahlperiode noch einmal 1,3 Mrd. Euro zusätzlich aus.
Dieser finanzielle Mehraufwand sprengt alle politisch vorstellbaren Dimensionen. Es erübrigt sich darüber ernsthaft zu diskutieren.
Aber auch ohne kostenfreie KiTas gelingt mit der jetzigen Reform eine ganz erhebliche Entlastung der Eltern:
Lassen Sie mich einmal das Beispiel meiner Heimatstadt Ahrensburg nehmen: Ein Ganztags-Krippenplatz kostet hier derzeit 516,- Euro monatlich. Mit dem zukünftigen Deckel von 288,- Euro reduziert sich die Zahlung jeden Monat pro Kind und Familie um 228,- Euro.
In der Kita setzt sich diese Ersparnis fort: Der monatliche Beitrag liegt mit derzeit 322,- Euro nämlich 89,- Euro höher als der zukünftig maximal zulässige Deckelbetrag von 233,- Euro.
Selbst unter Berücksichtigung des Wegfalls des 100,- Euro Kitagutscheines während der beiden Krippenjahre resultiert für die Ahrensburger Familie damit eine Ersparnis von sage und schreibe 6.276,- Euro aus der KiTa-Reform!
Natürlich ist diese Entlastung nicht überall gleicht, sondern sie hängt ab von der Höhe der heutigen Elternbeiträge vor Ort. Ausgehend vom Landesdurchschnitt ergibt sich aber immer noch eine Ersparnis von rund 2.000,- Euro pro Kind im Jahr 2021.
Und selbst in den Städten und Gemeinden, in denen die Elternbeiträge bereits heute unterhalb des Deckels liegen, haben die Eltern die Aussicht auf weitere finanzielle Entlastung.
Die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel für die Deckelung der Elternbeiträge werden nämlich allen Kommunen gewährt, unabhängig davon ob die Elternbeiträge oberhalb oder unterhalb des Deckels liegen.
Mit diesen zusätzlichen Mitteln kann der Elternbeitrag auch in einer Stadt wie Norderstedt, wo der Ganztagsplatz schon heute nur 230,- Euro kostet, weiter abgesenkt werden.
Und selbstverständlich muss eine Vergleichsrechnung immer die vollen fünf Jahre Kinderbetreuung umfassen und nicht nur ein einzelnes Krippenjahr herausgreifen.
Die Kollegin Midyatli macht es sich deshalb mit ihrer Oppositionsrechnung viel zu einfach, wenn Sie diese Entlastungswirkungen einfach unberücksichtigt lässt.
Die Eltern profitieren aber nicht nur finanziell. Die Verbesserung der Wahlmöglichkeit für freie Plätze außerhalb der eigenen Gemeinde, die Reduzierung der Schließzeiten in den Ferien und das vollständige Verzeichnis aller freien Plätze in der verbindlichen KiTa-Datenbank sind weitere Vorteile, die das Leben für die Eltern leichter machen!
Meine Damen und Herren, kommen wir zu den Qualitätsverbesserungen. Diese spielen sich ausschließlich im Personalbereich ab. Nicht weil es beim bisherigen Personal an Qualität mangelt, sondern weil wir davon zu wenig haben bzw. weil das vorhandene Personal zu wenig Zeit hat, um seinen Bildungsauftrag zu erfüllen.
Mit der Anhebung des Fachkraft-Kind-Schlüssels auf 2, der Reduzierung der Gruppengröße auf maximal 22 Kinder, mehr Verfügungszeiten zur Vorbereitung und der Freistellung der KiTa-Leitung ab 5 Gruppen tragen wir dem Rechnung.
Und natürlich kommt jetzt sofort der Einwand, dass es die dafür benötigten Erzieher und sozialpädagogischen Assistenten am Arbeitsmarkt überhaupt nicht geben würde.
Aber ohne dass wir mehr Geld in die Hand nehmen, wird es sie auch niemals geben. Wir brauchen genau dieses Signal, wir müssen diesen ersten Schritt machen, um zu besseren Arbeitsbedingungen zu kommen, damit sich zukünftig mehr Menschen für eine Arbeit in der Kinderbetreuung entscheiden.
Meine Damen und Herren, zu guter Letzt jetzt der Blick auf die Kommunen.
Sicherlich hätten sich viele kommunale Vertreter gewünscht, zukünftig weniger zahlen zu müssen als bislang. Wenn dieses in absoluten Beträgen nicht der Fall ist, dann liegt das nicht an der KiTa-Reform selbst. Alles was das Land an Qualitätsverbesserungen bestellt und was es an Deckelung der Elternbeiträge vorgibt, wird auch vom Land bezahlt.
Der fortgesetzte Aufwuchs der kommunalen Ausgaben ergibt sich ausschließlich aus laufenden Kostensteigerungen wie z.B. den jährlichen Tariferhöhungen sowie aus dem beschriebenen Anstieg des Betreuungsbedarfs.
Diesen Kostenanstieg vermindert das Land mit der vorliegenden KiTa-Reform um mindestens 50 Mio. Euro jährlich und entlastet so die Kommunen, die ansonsten diesen Ausgabenanstieg ganz allein tragen müssten.
Noch viel wichtiger als diese unmittelbare betragliche Entlastung ist für die Kommunen aber die Umstellung des Finanzierungssystems. An die Stelle des Festbetrags für den Betriebskostenzuschuss des Landes tritt nunmehr eine prozentuale Aufteilung der KiTa-Kosten. Mit anderen Worten: Der Landeszuschuss ist zukünftig dynamisiert und wächst bei allen Kostensteigerungen automatisch mit.
Darauf haben die Kommunen seit Einführung des Landeszuschusses im Jahr 2004 vergeblich gewartet!
Auch für die Kommunen ist diese KiTa-Reform deshalb ein echter Gewinn. Ihr Finanzierungsanteil von bislang über 50 Prozent wird deutlich gesenkt und auf diesem Niveau verstetigt.
Man stelle sich einmal eine KiTa-Reform vor, die auf eine Entlastung der Kommunen verzichten würde, weil sie alle verfügbaren Ressourcen ausschließlich für die Beitragsreduzierung bei den Eltern einsetzt.
Den Protest der Gemeindevertreter und Bürgermeister vermag ich mir gar nicht auszumalen. Die SPD-Kommunalpolitiker haben sich ja schon in der letzten Wahlperiode im Stich gelassen gefühlt. Mit dem jetzigen SPD-Oppositionskurs wäre das umso mehr der Fall.
Meine Damen und Herren, genau darin liegt das Erfolgsrezept dieser KiTa-Reform: Weil wir den Dreiklang aus Qualitätsverbesserung, Deckelung der Elternbeiträge und Entlastung der Kommunen gewählt haben, ist es gelungen, sich mit allen Beteiligten weitgehend einvernehmlich auf diese Reform zu verständigen!
Die Eckpunkte, die uns heute vorliegen, sind von der Landeselternvertretung, der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und den kommunalen Landesverbänden mit ausgehandelt worden.
Das ist ein unglaublicher Erfolg der Jamaika-Landesregierung und insbesondere unseres Sozialministers Heiner Garg sowie seines Staatssekretärs Matthias Badenhop.
Es hätte kaum jemand für möglich gehalten, die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Jamaika hat es geschafft, das ist ein echter Durchbruch und darin besteht der vielleicht größte Erfolg dieser KiTa-Reform! Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel