Ministerpräsidentenkonferenz | | Nr. 384/23
TOP 1a u.a.: Der Bund muss die finanzielle Verantwortung für sein Handeln tragen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
spätestens seit der Corona-Pandemie hat die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Es war deshalb regelmäßig die Erwartung dieses Hauses, dass über die Ergebnisse der MPK anschließend hier im Parlament berichtet wird. Mein Dank gilt deshalb zuallererst der Landesregierung für die heutige Regierungserklärung.
Diese Regierungserklärung war allein schon deshalb wichtig, weil die Lage ähnlich dramatisch ist wie zur Corona-Pandemie:
Bis Ende Oktober wurden in Deutschland 286.000 Asylanträge gestellt. Das waren zu dem Zeitpunkt bereits 40.000 mehr als im gesamten Vorjahr. Bis zum Ende des Jahres sind über 300.000 Asylanträge zu erwarten – der höchste Jahreswert seit den Krisenjahren 2015/16.
Und das nachdem in Deutschland im vergangenen Jahr gerade erst über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer Zuflucht erhalten haben.
Rechnet man Asylanträge und die Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge zusammen, ergibt sich für dieses und letztes Jahr eine Gesamtaufnahme von knapp 1,7 Millionen Menschen in Deutschland. 2015/16 waren es dagegen „lediglich“ 1,2 Millionen.
An diesen zwei Zahlen wir die ganze Dramatik der aktuellen Situation sehr gut deutlich: Die Aufnahmesituation für Flüchtlinge ist am Limit. Die Kapazitäten sind vielerorts erschöpft, wenn nicht sogar schon überschritten. Es stehen keine Unterkünfte mehr zur Verfügung, in manchen Schulklassen und Kita-Gruppen spricht kaum noch ein Kind Deutsch und Sprach- und Integrationskurse können nicht mehr in ausreichender Zahl angeboten werden.
Selbstverständlich stehen wir weiterhin für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und stellen diese tagtäglich unter Beweis. Wenn wir aber Menschen unter diesen Umständen aufnehmen, dann werden wir damit unseren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Und vor allem können wir denen nicht mehr ausreichend helfen, die wirklich auf Schutz vor Verfolgung und Krieg angewiesen sind.
Hinzu kommt ein zweiter Aspekt, der nicht minder schwer wiegt: Wir müssen feststellen, dass die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland kippt. Statt Willkommenskultur verzeichnet die AfD immer größere Wahlerfolge. Weit über die Hälfte der AfD-Wählerinnen und Wähler gibt dabei an, dass die Zuwanderung die größte Rolle für ihre Wahlentscheidung spielt. Mit der Bewegung von Sarah Wagenknecht kommt am äußersten linken Rand des politischen Spektrums jetzt möglicherweise eine Partei hinzu, deren Thesen zur Migration sich kaum von denen der AfD unterscheiden.
Meine Damen und Herren, wie sollen denn die Europawahl, die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und die Kommunalwahlen in vielen weiteren Bundesländern im nächsten Jahr ausgehen, wenn unsere Demokratie von Links- und Rechtsradikalen derartig in die Zange genommen wird?
Die Situation ist damit vergleichbar mit der Lage Anfang der 90er Jahre als eine halbe Million Flüchtlinge aus Südosteuropa für Wahlerfolge von Republikanern und DVU in den Landtagen sorgten - auch hier bei uns in Schleswig-Holstein. Mit dem vom Deutschen Bundestag im Mai 1993 beschlossenen Asylkompromiss war dieser Spuk dann aber schnell wieder vorbei und genau das muss doch auch jetzt das Ziel von verantwortungsvollem politischem Handeln sein.
Die wesentlichen Merkmale des damaligen Asylkompromisses waren Übrigens die Einführung des Prinzips von sicheren Herkunftsstaaten, beschleunigte Verfahren an Flughäfen sowie Leistungsabsenkungen für Asylbewerber, Sachleistungsprinzip und Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Fast alles Punkte, die sich in ähnlicher Form jetzt auch im MPK-Beschluss wiederfinden.
Der Unterschied ist allerdings, dass der Asylkompromiss 1993 zwischen Bundesregierung und Opposition im Deutschen Bundestag geschlossen wurde. Jetzt hingegen haben wir es mit einer weitgehend handlungsunfähigen Bundesregierung aus drei Ampelparteien zu tun, die sich in Migrationsfragen gegenseitig blockieren.
Die Vorschläge der Länder lagen seit der MPK im Mai dieses Jahres bereits auf dem Tisch, ohne dass die Bundesregierung in der Lage war, sich darauf zu verständigen. Dadurch ist ein halbes Jahr an Zeit verloren gegangen.
Das darf sich jetzt auf keinen Fall wiederholen. Den Beschlüssen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung müssen schnellstmöglich Taten folgen: Bis zur Sicherung der europäischen Außen-grenzen und einer Stärkung von Frontex braucht es verstärkte Kontrollen an den deutschen Binnengrenzen.
Tausende von verhinderten illegalen Grenzübertritten und hunderte von festgenommenen kriminellen Schleusern allein in den letzten vier Wochen zeigen den Erfolg dieser Maßnahmen, gegen die sich die Bundesregierung lange Zeit gewehrt hatte. Diese Grenzkontrollen müssen deshalb bis zum Wirksamwerden des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Kraft bleiben.
Beschleunigte Asylverfahren sind die nächste zentrale Maßnahme. Eine Verfahrensdauer für Asylentscheidung und anschließendem Gerichtsverfahren von jeweils maximal drei Monaten klingt nach heutigen Erfahrungswerten durchaus ambitioniert. Allerdings kann sich der genannte Zeitraum von drei Monaten eigentlich nur auf das erstinstanzliche Gerichtsverfahren beziehen.
Mit einer Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht als zweiter Instanz, einer möglichen Revision in dritter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht bis hin zu einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und der Einschaltung der Härtefallkommissionen der Länder steht zu befürchten, dass sich die Verfahrensdauer auch zukünftig erheblich verlängert.
An dieser Stelle wäre es deshalb notwendig gewesen, weitere Länder mit Anerkennungsquoten im niedrigen einstelligen Bereich zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, um zu schnelleren Verfahren in diesen Fällen zu gelangen. Da wären die Maghreb-Staaten und Indien als erste zu nennen.
Angesichts von Asylverfahren, die sich oftmals über viele Jahre erstrecken, ist es richtig, den automatischen Wechsel der Antragsteller ins deutsche Sozialsystem erst nach 36, statt bislang 18 Monaten erfolgen zu lassen und solange nur die geringeren Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vorzunehmen.
Vollkommen zu Recht stellen die Regierungschefs der Länder und die Bundesregierung in ihrem Beschluss nämlich fest, dass der Anreiz für eine Sekundärmigration innerhalb Europas nach Deutschland gesenkt werden muss. Und dieser Anreiz ergibt sich gerade durch die höheren finanziellen Leistungen in Deutschland. Wenn es mit einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte besser gelingt, Leistungen als Sachleistungen zu erbringen, dann ist auch das ein richtiger Schritt.
Aus dem gleichen Grund ist es sinnvoll, Asylbewerberinnen und Asylbewerber während des Aufenthalts für Arbeiten heranzuziehen, die dem Betrieb der Einrichtung dienen oder sie zu gemeinnütziger Arbeit bei Kommunen und staatlichen Institutionen zu verpflichten. Diese bestehende Möglichkeit sollte in breiterem Maße genutzt werden, wie es im MPK-Beschluss heißt.
Bei Ablehnung des Asylantrages ist eine konsequente Rückführung erforderlich. Die Verlängerung des Ausreise-Gewahrsams von 10 auf 28 Tage kann dazu einen Beitrag leisten.
Noch wichtiger wären allerdings Rückführungs-abkommen mit den Herkunftsstaaten, damit Abschiebungen nicht immer wieder an fehlenden Ausweispapieren scheitern. Wenn aber schon der von der Bundesregierung selbst eingesetzte Sonderbeauftragte für Migrations-abkommen daraus keine kurzfristigen Effekte erwartet, dann wird deutlich, weshalb es unter Umständen notwendig ist, die Durchführung von Asylverfahren von vornherein in Transit- oder Drittstaaten zu verlagern, damit eine Einreise nach Deutschland erst gar nicht erfolgt.
Andernfalls bliebe nur noch die Möglichkeit, Rückkehrzentren nach dänischem Vorbild einzurichten, in denen abgelehnte Asylbewerber untergebracht werden und nur noch Sachleistungen gewährt werden.
Meine Damen und Herren, so sehr der MPK-Beschluss auf eine Begrenzung der irregulären Migration abzielt, so sehr ist nach wie vor offen, ob damit eine nennenswerte Reduktion der Flüchtlingszahlen in Deutschland erreicht wird.
Dies wird überhaupt nur dann gelingen, wenn die Gesamtheit der vereinbarten Punkte jetzt auch konsequent umgesetzt wird. Dafür sind Gesetzesänderungen auf Bundesebene erforderlich, die von der Bundesregierung jetzt hoffentlich unverzüglich auf den Weg gebracht werden.
Als CDU-Landtagsfraktion gehen wir davon aus, dass Schleswig-Holstein allen Entscheidungen im Bundesrat zustimmen wird, die der Umsetzung des MPK-Beschlusses dienen.
Zu guter Letzt ein Wort zu den finanziellen Auswirkungen. Es ist gut, dass sich der Bund jetzt endlich zu einem atmenden System mit einer Pro-Kopf-Pauschale bereitgefunden hat. Schlecht ist hingegen, dass sich der vereinbarte Betrag von 7.500 Euro nicht sachgerecht am Bedarf orientiert, sondern ein rein politischer Kompromiss ist. Länder und Kommunen bleiben damit auch zukünftig auf erheblichen Kosten sitzen.
Angesichts der ohnehin schon angespannten Haushaltssituation von Land und Kommunen ist es nicht akzeptabel, dass der Bund seiner finanziellen Verantwortung nur unzureichend nachkommt und gleichzeitig bei der Steuerung und Begrenzung der Migration bislang versagt.
Wenn es nicht gelingt, die Zuwanderung mit der Umsetzung der MPK-Beschlüsse deutlich zu reduzieren, dann sage ich bereits jetzt voraus, dass es weitere finanzielle Forderungen von Land und Kommunen an den Bund geben wird und das auch vollkommen zu Recht.
Die Steuerung und Begrenzung der Flüchtlingszahlen liegen einzig und allein in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, und deshalb muss der Bund auch die finanzielle Verantwortung für sein Handeln tragen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel