Kitagesetz | | Nr. 137/24
TOP 1A+24+29: Ausfinanzierte und verlässliche Kitas – ohne Erhöhung der Elternbeiträge
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
auf Basis des Kita-Evaluationsberichtes hatte das Sozialministerium im Februar dieses Jahres die Finanzierungslücke im Kita-System auf eine Brandbreite zwischen 80 und 130 Millionen Euro beziffert. Diese erschreckende Erkenntnis beinhaltete immerhin noch die Hoffnung, dass das tatsächliche Defizit am unteren Ende dieser Bandbreite liegen könnte und damit „nur“ – in Anführungsstrichen – einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen würde.
Diese Hoffnung hat sich allerdings nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil.
In den Beratungen des Kita-Fachbeirates ist die tatsächliche Finanzierungslücke am oberen Rand der genannten Bandbreite verortet worden oder sogar je nach Sichtweise deutlich darüber hinaus. Diese Dimension ist dramatisch. Um sie einzuordnen, hilft ein Blick in den Jamaika-Koalitionsvertrag der letzten Wahlperiode. In ihm war vereinbart worden, für die Kita-Finanzierung bis zum Jahr 2022 schrittweise 170 Millionen Euro jährlich zusätzlich zu mobilisieren. Wenn wir jetzt feststellen müssen, dass die Kita-Reform doppelt so teuer geworden ist, dann kann man nicht mehr von einzelnen Rechenfehlern sprechen, sondern dann handelt es sich um eine grundlegende Fehlkalkulation bei der Kita-Reform der letzten Wahlperiode.
Nun helfen rückwärtsgewandte Schuldzuweisungen bekanntlich nicht weiter, um ein solches Problem zu lösen. Und klar ist auch, dass alle Jamaika-Partner gemeinsam Verantwortung für die Kita-Reform der letzten Wahlperiode tragen, wir als Union genauso wie Grüne und FDP. Trotzdem sage ich noch einmal ganz deutlich in Richtung FDP: Etwas mehr Demut angesichts der eigenen Verantwortung an den jetzt zu lösenden Problemen wäre sehr angebracht.
Meine Damen und Herren, das Problem bei der Kita-Reform der letzten Wahlperiode ist allerdings nicht nur die jetzt identifizierte Finanzierungslücke, sondern das zweite gravierende Problem ist die fehlende Verlässlichkeit bei der Kinderbetreuung. Immer wieder ausfallende Betreuungszeiten und geschlossene Gruppen sind letztendlich aber auch eine Folge des Kita-Gesetzes selbst, nämlich der damit formulierten überbordenden gesetzlichen Vorschriften.
Bei auftretenden Personalengpässen fehlt es den Kitas an Flexibilität, um darauf reagieren zu können, sodass immer wieder Gruppen geschlossen werden, um nicht mit einem zu geringen Personaleinsatz gegen die gesetzlich definierten Standards zu verstoßen. Die Leidtragenden der gut gemeinten Vorschriften des Kita-Gesetzes sind die Eltern, die sich auf die vertraglich vereinbarten Betreuungszeiten nicht verlassen können.
Mit der diesjährigen Kita-Gesetzesnovelle gilt es deshalb zwei große Herausforderungen zu meistern, nämlich die Finanzierungslücke zu schließen und gleichzeitig für Verlässlichkeit der Kinderbetreuung zu sorgen. Unter diesen Voraussetzungen müssen wir ehrlicherweise einräumen, dass weitere Verbesserungen wie ein höherer Betreuungsschlüssel und niedrigere Elternbeiträgen nicht realistisch sind. Beide Ziele haben wir zwar im Schwarz-Grünen Koalitionsvertrag vereinbart. Angesichts der jetzt zutage getretenen Finanzierungslücke innerhalb der Kita-Finanzierung und einem strukturellen Haushaltsdefizit von rund 1 Milliarde Euro lassen sich jedoch realistischerweise weder mehr Personal in den Kitas noch niedrigere Elternbeiträge finanzieren.
Schon allein das Schließen der Finanzierungslücke in der Kita-Finanzierung ist eine gewaltige Herausforderung, auch wenn dafür grundsätzlich vier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen:
Erstens könnte der Landeszuschuss in Höhe der Finanzierungslücke und damit im dreistelligen Millionenbereich erhöht werden. Angesichts der finanziellen Lage des Landeshaushaltes ist das allerdings nur eine theoretische Möglichkeit. Bei einem ohnehin schon vorhandenen jährlichen Einsparbedarf von 200 Millionen Euro kann der Landeshaushalt unmöglich eine derartige zusätzliche Belastung verkraften. Schon die von der Landesregierung in Aussicht gestellte Beteiligung des Landes am Schließen der Finanzierungslücke ist bislang im Landeshaushalt nicht finanziert, vergrößert also das Haushaltsloch und ist dennoch notwendig, um eine gemeinsame Lösung aller Beteiligten zu erreichen.
Zweitens könnte die Finanzierungslücke vollständig den Kommunen aufgebürdet werden. Angesichts der ebenfalls angespannten kommunalen Haushalte sowie der Tatsache, dass die Finanzierungslücke ja nicht von den Kommunen, sondern durch ein Landesgesetz verursacht wurde und die Kommunen dieses Defizit in den letzten Jahren notgedrungen tragen mussten, scheidet allerdings auch diese Lösung aus. Vor diesem Hintergrund wäre es den Kommunen schon anzurechnen, wenn sie sich im gleichen Umfang wie das Land am Schließen der Finanzierungslücke beteiligten würden.
Die dritten Beteiligten an der Kita-Finanzierung sind die Eltern. Um die Finanzierungslücke vollständig zu schließen, müssten die Elternbeiträge um 50 bis 70 Prozent angehoben werden. Angesichts des erklärten Ziels aller im Landtag vertretenen Parteien, die Elternbeiträge perspektivisch weiter zu senken, ist eine derartige Anhebung allerdings vollkommen abwegig und damit ausgeschlossen. Schon eher konnte man darüber nachdenken, ob eine moderate Beitragsanhebung von vielleicht 10 Prozent vertretbar ist, da sie lediglich eine Inflationsanpassung für die letzten Jahre darstellen würde. Eine solche Anhebung der Elternbeiträge würde allerdings nur rund 20 Millionen Euro erbringen. Zusammen mit gleichhohen Beiträgen von Land und Kommunen wären damit gerade mal 60 Mio. Euro der Finanzierungslücke geschlossen.
Viertens führt deshalb so oder so kein Weg daran vorbei, zu Veränderungen innerhalb des Kita-Systems zu kommen, um einerseits die Finanzierungskosten zu reduzieren und gleichzeitig durch mehr Flexibilität für Verlässlichkeit der Kinderbetreuung zu sorgen. Indem wir Vorschriften streichen, gesetzliche Standards reduzieren und Bürokratieaufwand abbauen, muss es gelingen, die Kinderbetreuung günstiger zu gestalten, als es bislang mit dem SQKM-Modell der Fall ist. Wenn man diesen Ansatz konsequent verfolgt, um damit den überwiegenden Teil der Finanzierungslücke zu schließen, dann gelingt es auch, auf eine Anhebung der Elternbeiträge gänzlich zu verzichten.
Meine Damen und Herren, und genau das ist unsere Präferenz als CDU-Fraktion: Keine Erhöhung der Elternbeiträge, Verlässlichkeit der Kinderbetreuung sicherstellen und stattdessen lieber akzeptieren, dass wir an der ein oder anderen Stelle Abstriche an der Kita-Reform des Jahres 2021 vornehmen müssen.
Und genau dafür hat Ministerin Touré heute die notwendigen Vorschläge präsentiert: Anstellungsschlüssel, Personalspanne und Reduzierung der Vorschriften bei Sachkosten.
Das war wahrlich keine leichte Aufgabe, diese Vorschläge mit den erforderlichen Volumina in der Kürze der Zeit zu entwickeln. Umso größer ist unser heutiger Dank an die Ministerin, an ihren Staatssekretär und alle daran beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der damit eingeschlagene Kurs wird von Seiten der CDU-Fraktion aus voller Überzeugung unterstützt.
Weil ich mir aber schon jetzt gut vorstellen kann, dass jede Veränderung an den Kita-Standards ganz schnell als Qualitätsverlust kritisiert wird, sage ich noch einmal den Satz, den einige Beteiligte nicht mehr hören können:
Die schlechteste Kita ist eine geschlossene Kita. Jede Maßnahme, die dazu beiträgt, die Verlässlichkeit der Kinderbetreuung sicherzustellen, ist deshalb keine Qualitätsverschlechterung, sondern eine Verbesserung der Kinderbetreuung!
Wer Beitragserhöhungen vermeiden will oder sie sogar entschieden ablehnt, der muss offen sein für solche Veränderungen innerhalb des Kita-System.
Meine Damen und Herren, als Koalition sind wir bereit, erste Veränderungen am Kita-Gesetz sogar noch vor der Sommerpause vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Anschlussverträge mit den Kita-Einrichtungen rechtzeitig vor dem 01. Januar 2025 verhandelt und abgeschlossen werden können. Nach der Kita-Reform der letzten Wahlperiode sollte die Zuständigkeit für den Abschluss dieser Verträge nicht länger vor Ort bei der Standortgemeinden liegen, sondern auf die Kreise übergehen.
Schon damals wollten die Standortgemeinden diese Zuständigkeit unter keinen Umständen abgeben und die Kreise waren überhaupt nicht erpicht darauf, diese Aufgabe zu übernehmen - weshalb wir im Kita-Gesetz eine Übergangsklausel aufgenommen haben, nach der die Zuständigkeit bis Ende dieses Jahres weiterhin bei den Standortgemeinden verbleibt. Mit einem Vorschaltgesetz zur eigentlichen Kita-Gesetzesnovelle könnten wir noch vor der Sommerpause dafür sorgen, dass diese Übergangsklausel fortbesteht, die Zuständigkeit also bei den Standortgemeinden vor Ort verbleibt.
In der jetzigen Lage brauchen wir pragmatische Lösungen, die in der Praxis funktionieren und kein theoretisch noch so ausgefeiltes System, das aber nur für hohe Kosten, Bürokratie und geschlossene Kita-Gruppen sorgt. Um das zu erreichen, haben wir in den nächsten Monaten noch eine ganze Menge Arbeit vor uns. Im Interesse der Kinder, ihrer Eltern, der Kita-Träger, der Kommunen und des Landeshaushaltes müssen und werden wir wir dabei erfolgreich sein. Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel