Kommunalvertretungen | | Nr. 238/22
TOP 19: Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen nicht behindern
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
in den größeren Kommunen, speziell in den Kreisen sowie in den Ober und Mittelzentren, erleben wir zunehmend eine Zersplitterung der Kommunalvertretungen in viele Fraktionen. Die Zahl der Kleinstfraktionen behindert zunehmend die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen und das kommunale Ehrenamt kommt an seine Belastungsgrenze.
Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel aus meinem Heimatkreis Schleswig-Flensburg. Bei der Kommunalwahl 2018 wurden in den Kreistag gewählt:
- 22 Abgeordnete der CDU
- 11 Abgeordnete der SPD
- 8 Abgeordnete der Grüne
- 6 Abgeordnete der SSW
- 2 Abgeordnete der FDP
- 2 Abgeordnete der AfD
- 2 Abgeordnete der Linke
- 2 Abgeordnete der Freie Wähler
- 1 Abgeordneter von Bündnis für Bürger
Die Wählervereinigung BfB hatte gerade mal 1,2% der Wählerstimmen insgesamt erzielt und deren einziger Kreistagsabgeordneter ist mit nur 161 Stimmen in seinem Wahlkreis in den Kreistag eingezogen. Die Freien Wähler konnten mit 3,8% immerhin 2 Kreistagsmitglieder stellen. Bei denen war nur das Problem, dass die beiden sich nicht einig waren, wer von den beiden Fraktionsvorsitzender werden sollte. Da gibt es bei 2 Personen eben eine Pattsituation. Und was machen die? Die gründen keine gemeinsame Fraktion. Das hätten die Wähler der Freien Wähler aber doch wohl eigentlich erwarten können. Stattdessen gründet ein Freier Wähler mit dem alleinigen BfB-Abgeordneten eine Fraktion, unabhängig vom Wählerwillen. Und der andere Freie Wähler-Abgeordnete bleibt alleine. Damit hatten wohl sicherlich weder die Wähler von BfB noch die der Freien Wähler gerechnet. Der Wählerwille war ignoriert, die Wähler getäuscht und das Recht ausgenutzt.
Aber damit nicht genug. 1 Jahr später zerstreiten sich die beiden AfD-Abgeordneten und lösen die kleine 2-Mann-AfD-Fraktion auf. Der eine ehemalige AfDler schließt sich dann den anderen beiden von FW und BfB an und es entsteht eine 3-Mann-Fraktion aus ursprünglich 3 verschiedenen Wahl-Listen. Ein weiteres halbes Jahr später löst sich diese 3er-Kombi aus FW, BfB und AfD wieder auf, um sich dann wieder zu einer 2er Fraktion neu zusammen zu finden und den ehemaligen AfDler alleine zu lassen. Da hatten wir im Kreistag wieder 3 2er-Fraktionen und 3 Einzelabgeordnete. Es dauert dann keine weiteren 2 Jahre, bis sich die beiden von FW und BfB zerstreiten und sich deren Fraktion auflöst. Wiederum ein halbes Jahr später (inzwischen im März 2022) gründen dann der BfB-Mensch und der eine ehemalige AfDler eine neue Fraktion, die sich Deerns und Jungs nennt.
Aktuell haben wir im Kreis Schleswig-Flensburg 3 2er-Fraktionen und 4 Einzelabgeordnete, die jederzeit wieder weitere Kleinstfraktionen bilden können. Eine der 2er-Fraktionen stand damals für die Wählerinnen und Wähler gar nicht zur Wahl und ist demokratisch überhaupt nicht legitimiert.
In der ganzen Zeit seit der letzten Kommunalwahl 2018 beschäftigen sich diese Leute mit sich selbst und behindern darüber hinaus die Kreistagsarbeit. Bei jeder Fraktionsauflösung und Neubildung kommt es ja auch zu Neubesetzungen der Fachausschüsse. Ständig verändern sich die Ausschussmitglieder. Zum einen ändert sich teilweise die Zahl der entsendeten Abgeordneten je Fraktion, weil die Höchstzahlen bei Fraktionsauflösung neu berechnet werden. Und so stellen auch unverändert große Fraktionen mal 2 und in einer anderen Situation mal 3 Ausschussmitglieder.
Und zum anderen benennen die Kleinstfraktionen ja mit Fraktionsneubildung auch laufend neue bürgerliche Mitglieder in den Ausschüssen. Immer wieder neue Menschen, die sich in die Themen einarbeiten müssen.
Ich bin Vorsitzender des Infrastrukturausschusses im Kreis und so verpflichte ich im Ausschuss ja auch die bürgerlichen Ausschussmitglieder. Der Ausschuss tagt vierteljährlich und in den letzten 4 Jahren wurden wegen der ständigen Fraktionsänderungen der Kleinstfraktionen 6 neue Ausschussmitglieder in den Fachausschuss entsendet bzw. hat es 6 Umbesetzungen gegeben. Und 2 gewählte bürgerliche Mitglieder der Kleinstfraktionen sind noch nicht einmal zu den Ausschusssitzungen gekommen und konnten gar nicht verpflichtet werden. So machen die anderen größeren Fraktionen die Ausschussarbeit quasi alleine, denn die neuen Mitglieder der Kleinstfraktionen müssen sich in die Themen erst einarbeiten oder die einzelnen Ausschussmitglieder der Kleinstfraktionen sind mit der Fülle an Themen überfordert.
Und so ergeht es ja auch den anderen Fachausschüssen. Ein Kreistagsabgeordneter dieser Kleinstfraktionen hat bereits seit 3 Jahren nicht mehr an einer Ausschusssitzung und auch an keiner Kreistagssitzung überhaupt mehr teilgenommen.
So funktionieren die kommunalen Selbstverwaltungsgremien irgendwann nicht mehr. Die engagierten Kommunalvertreter müssen immer mehr leisten und andere befassen sich nicht nur mit sich selbst, sondern sorgen auch noch für Mehrbelastungen aller anderen.
Übrigens auch für Mehrbelastungen der hauptamtlichen Verwaltung, die ständig neue Personen betreuen muss.
Und das was ich hier an einem Beispiel beschrieben habe, findet sich ja leider fast überall im ganzen Land in den größeren Kommunen. In Kiel z.B. gibt es aktuell 9 Fraktionen, davon 4 2er-Fraktionen von denen wiederum die Hälfte bei der damaligen Kommunalwahl gar nicht zur Wahl stand, sondern sich entgegen jeglicher Wählerstimme neu erfunden hat. In Lübeck wechseln die kleinen Fraktionen auch ständig und da gibt es aktuell 11 Fraktionen, davon 3 mit nur 2 Personen, das waren auch schon mal 5. Und auch dort wieder 2 ohne jegliche demokratische Legitimation aus der Kommunalwahl 2018.
In Norderstedt gibt es 2 und in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Nordfriesland, Herzogtum-Lauenburg, Ostholstein 3 und auch in Steinburg und Dithmarschen 2 Kleinstfraktionen mit jeweils nur 2 Personen. In fast allen größeren Kommunen wird von den Kleinstfraktionen die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen an die Belastungsgrenze getrieben.
Aus dem kommunalen Bereich wird schon seit Längerem gefordert, dass die Mindestfraktionsgröße angehoben wird. 2er-Fraktionen sind nicht vollumfänglich funktionsfähig und oftmals sogar hinderlich für die kommunale Selbstverwaltung. Die Kleinstfraktionen belasten vielerorts das kommunale Ehrenamt insgesamt. Die Arbeit der Vertreterinnen und Vertreter in den kommunalen Gremien der größeren Kommunen wird durch die Kleinstfraktionen zunehmend belastet. Die kommunalpolitisch aktiven Ehrenämtler sollen entlastet werden und ihre Beteiligung nicht durch Kleinstfraktionen behindert werden.
Die Arbeit in den Kommunalvertretungen muss verbessert und gestrafft werden. Auch die Funktionsfähigkeit in den Fraktionen selbst muss gegeben sein. Stärken Sie mit uns die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen und das kommunale Ehrenamt.
Vielen Dank
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel