Justiz | | Nr. 468/20
TOP 19: In unserem Rechtsstaat gibt es keine Corona-Diktatur
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
das Coronavirus hat Deutschland und die Bundesländer nach wie vor im Griff und auch in Schleswig-Holstein verzeichnen wir gerade wieder einen Anstieg der Infektionszahlen. Umso mehr freue ich mich über den heutigen Bericht zur Lage der Justiz und des Justizvollzuges. Ich bedanke mich herzlich bei unserem Justizminister Claussen und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das problembewusste Engagement.
Meine Damen und Herren: Die unabhängige Justiz ist bedeutsamer Teil der Staatsgewalt. Als Judikative ist sie im Sinne der Gewaltenteilung unverzichtbarer Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaates. Das gilt gerade in diesen Zeiten, in denen die zur Bekämpfung des Coronavirus getroffenen Maßnahmen mit intensiven Beschränkungen von Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger verbunden sind. Der Rechtsstaat muss sich deshalb mit allen seinen Institutionen immer wieder mit der Frage beschäftigen, ob Maßnahmen richtig waren, ob sie verbessert werden können und wo sie korrigiert werden müssen. Und obwohl wir uns in Schleswig-Holstein in Regierung und Parlament ausführlich mit diesen Fragen auseinandersetzen, gibt es Menschen, die uns nicht vertrauen, Verordnungen hinterfragen und gar zu Demonstrationen aufrufen.
Nach der heutigen Berichterstattung können wir diesen Bedenken mit voller Überzeugung entgegentreten. Die gerichtliche Kontrolle funktioniert. In unserem Rechtsstaat ist kein Raum für eine sogenannte Corona-Diktatur. Es gibt sie nicht. Die Bürgerinnen und Bürger können auch in diesen Krisenzeiten auf die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung als kontrollierende Instanz in unserem Rechtsstaat vertrauen.
Der Justizminister hat es dargelegt: Insbesondere im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben die Gerichte in 144 Eilverfahren mit „Corona-Bezug“ und über 70 erstinstanzlichen Normenkontroll-Eilverfahren entschieden und dort, wo es nötig war, politische Entscheidungen korrigiert. Die Justiz hat Landtag und Landesregierung Grenzen aufgezeigt, wo es nötig war. So funktioniert Rechtsstaat.
Die weitere gute Nachricht ist: Auch wenn unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften angesichts der Gesundheitsrisiken zahlreiche Termine verschieben mussten, so gelingt es der Justiz auch jetzt, effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Konzepte zu Abstands- und Hygieneregeln sowie das Aufstellen von Plexiglaswänden gehören inzwischen zum Alltag. Und dort wo, größere Säle erforderlich sind, werden praktikable Alternativen genutzt. Ein Beispiel in Itzehoe zeigt, dass es dabei keine Denkverbote gibt: Dass eine Strafkammer eines Landgerichts derzeit einen umfangreichen Fall von Bandenkriminalität in einer Diskothek verhandelt, ist innovativ und zur Einhaltung der Abstandsregeln ist es auch richtig.
Der hohe Grad an Digitalisierung und die Aufrüstung von Sitzungssälen mit Videokonferenztechnik sind in Schleswig-Holstein ein weiterer elementar wichtiger Beitrag, um die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen und die Terminierung unaufschiebbarer Verhandlungen zu erleichtern. Etwaige Vorbehalte gegen den Umstieg auf die elektronische Akte oder gegen den Rückgriff auf Videotechnik in geeigneten Zivilverfahren sind spätestens durch die Erfahrungen während der Pandemie sogar deutlich gesunken.
Meine Damen und Herren!
Der Rechtsgewährungsanspruch unserer Bürgerinnen und Bürger wird grundsätzlich gewahrt.
Lassen Sie mich aber ganz deutlich sagen: Erfolgreich sind alle diese Maßnahmen nur deshalb, weil sich Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Justizmitarbeiterinnen und Justizmitarbeiter ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind. Trotz schon bestehender Belastungen haben insbesondere die Servicekräfte einen erheblichen Anteil an der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Justiz. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank übermitteln. Ebenso herzlichen Dank möchte ich auch an alle Beschäftigten im Justizvollzug richten. Auch dort konnte durch umfangreiche organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Gefangenen und der Bediensteten ein verlässlicher Vollzug sichergestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Justizvollzug ist ein besonders sensibler Bereich. Der Umgang mit den Gefangenen erfordert eine ganz besondere Verantwortung und ein hohes Maß an Kompetenz und Einsatzbereitschaft. Dass in dieser schwierigen Situation die Krankenstände gering sind, belegt, mit welchem großen Verantwortungsbewusstsein und Engagement in unseren Justizvollzugsanstalten gearbeitet wird. Und das, obwohl die Personalsituation schon vor der Krise angespannt war. Die nach wie vor niedrigen Infektionszahlen zeigen, dass die Schutzmaßnahmen greifen.
Dennoch dürfen wir uns auf diesen guten Botschaften nicht ausruhen. Auch die Justiz muss sich auf die erneut zugespitzte Lage einstellen. Wir müssen weiterhin gut im Blick haben, wo wir weiteren Handlungsbedarf sehen. Die Bewältigung der Corona-Krise darf nicht in einer Krise für den Rechtsstaat münden. Deswegen freut es mich sehr, dass sich unser Justizminister einem Schreiben an den Bundegesundheitsminister angeschlossen hat, um die Impfkommission auf die Bedeutung der Justizbediensteten hinzuweisen. Das möchte ich ausdrücklich unterstützen und dabei insbesondere den Allgemeinen Vollzugsdienst, die Wachtmeisterei und die Serviceeinheiten in den Blick rücken. Sie alle sind unverzichtbar für das Funktionieren der Justiz und des Justizvollzuges.
Darüber hinaus müssen wir dafür Sorge tragen, dass der festgestellte Personalmangel bei Servicekräften und im Vollzug beseitigt wird. Deswegen möchte ich abschließend eine Bitte an Sie, Frau Ministerin Heinold, richten: Haben Sie ein offenes Ohr für unseren Justizminister, unterstützen Sie die gute Arbeit und stellen Sie die dringend erforderlichen Mittel zur Verfügung.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel