Mandat | | Nr. 214/21
TOP 18: Kein Pferd besteigen, das schon totgeritten ist
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
Es geht um ein wichtiges Thema und um einen Strafnormparagrafen, der unser aller Arbeit betrifft. Im Bundestag und im Landtag wurde sich bereits mit dem §108e StGB befasst und bei uns im Landtag ausdrücklich klargestellt, dass wir dort Kausalitätsfragen anderes geregelt haben möchten.
Schaut man sich aber nun den Antrag des SSW an, dann kommt es einem vor, dass eine simple Lösung durch das Streichen von zwei Worten genau dieses Problem lösen könnte. Aus dem Wortlaut des 108 e soll im „Auftrag oder auf Weisung“ gestrichen werden.
Im Strafrecht ist es allerdings oft so, dass simple Lösungen zunächst gut wirken, sich bei genauerer Betrachtung jedoch als problematisch herausstellen. Je einfacher die Lösung, die vorgeschlagen ist, desto skeptischer sollte man sein.
Schauen wir uns einmal die Norm des §108e an:
„(1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Woher kommt also diese „im Auftrag oder auf Weisung“? Es stammt eindeutig aus dem Artikel 38 GG, denn dort heißt es: „(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Und so kommt es, dass in dieser Strafnorm ausnahmsweise nicht wörtlich, sondern deklaratorisch auszulegen ist, weil es ausdrücklich an das Grundgesetz an Artikel 38 angelehnt ist.
Das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates. Hier muss präzise und genau gearbeitet werden. Und ja, es gibt eine wissenschaftliche Diskussion, bei der es darum geht, genau diese Worte aus der Norm zu streichen. So war es die AfD-Fraktion im Bundestag, die im am 23. März dieses Jahres genau diesen Antrag gestellt hat. Da könnte man ja überlegen: Wenn wir eine Bundesratsinitiative starten sollten, der genau diesen Inhalt erneut in den Bundestag einbringen möchte – wie groß mag die Erfolgsaussicht dieses Antrags sein?
Das kann ich Ihnen sagen, der Vorschlag wurde von der AfD im Bundestag eingebracht, der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat die Vorlage auf Drucksache 19/27776 in seiner 54. Sitzung am 9. Juni 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der AfD, die Ablehnung des Gesetzentwurfs.
Das Gleiche im Ausschuss für Inneres und Heimat: Der hat die Vorlage auf Drucksache 19/27776 in seiner 145. Sitzung am 9. Juni 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der AfD, die Ablehnung des Gesetzentwurfs.
Ebenso: Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 19/27776 in seiner 158. Sitzung am 9. Juni 2021 abschließend beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der AfD, die Ablehnung des Gesetzentwurfs.
Ich glaube, wir sollten uns in Schleswig-Holstein ernsthaft mit dem Thema befassen wie man Kausalität in Hinsicht auf §108 e berücksichtigen, ändern oder möglicherweise verschärfen kann.
Ich glaube aber, dass wir mit simplen Lösungen, die auf den ersten Blick genial wirken, möglicherweise doch eher auf ein Pferd steigen, das schon totgeritten ist. In diesem Fall ist der Antrag mit breiter Mehrheit im Bundestag abgeschmettert worden.
Deswegen empfehle ich ausdrücklich, die von dem SSW vorgeschlagene Bundesratsinitiative abzulehnen.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel