Europapolitik | | Nr. 134/24
TOP 17 u.a: Schleswig-Holstein für ein starkes Europa
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
vom 6. bis 9. Juni finden in diesem Jahr die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Allgemein sprechen wir von der Europawahl. Und dass wir alle in der Europäischen Union die direkte Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger seit 1979 wählen können, ist ein großer Grund zur Freude und Dankbarkeit.
Die Europawahl ist ein weltweit einmaliges Großereignis der Demokratie: Wahlberechtigt sind ca. 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union. Sie wählen die 720 Abgeordneten im Parlament. Allein aus Deutschland werden zukünftig 96 Parlamentarier in Brüssel und Straßburg über die zukünftige Politik der EU mitentscheiden.
Warum nenne ich diese Fakten, die vielen von Ihnen bereits bekannt sein dürften, noch einmal zum Beginn der Debatte?
Weil es mir und meiner Fraktion besonders wichtig ist, den demokratischen Wert dieser Wahl herauszustellen und ich ausdrücklich betonen möchte, dass die Europawahl in ihrer Bedeutung hinter keiner anderen Wahl, wie z.B. Bundestags- oder Landtagswahlen zurücksteht, ganz im Gegenteil: In Brüssel werden zukünftig weitere wichtige Entscheidungen für uns alle in Deutschland und Schleswig-Holstein getroffen. Deshalb stellen wir uns gegen Vorwürfe von Populisten und extremen Parteien, die den demokratischen Wert der Europawahl anzweifeln oder gar lächerlich machen und appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, zur Wahl zu gehen und von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Meine Bitte: Stärken Sie die demokratische Mitte und stärken Sie mit Ihrer Wahl auch das Europäische Parlament als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union.
Bei allen unterschiedlichen Auffassungen in der Sache sind wir doch vereint in diesem Appell und ich danke allen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen für diesen europapolitischen Konsens, den wir hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag zum Wohle unseres Landes haben und pflegen.
Für die CDU gilt: Schleswig-Holstein braucht ein starkes Europa in einer sehr unruhigen Welt. Der Weg der europäischen Integration ist Voraussetzung für Frieden und Freiheit. Die Europäische Union ist der Garant für Wohlstand und soziale Sicherheit.
Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU stärkt die europäische Sicherheit. Es ist klar, dass die EU mehr für ihre eigene Sicherheit tun muss. Aber die Stärkung des europäischen Pfeilers der transatlantischen Sicherheit kann nur gemeinsam mit den alliierten Partnern der NATO gelingen. Die Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist nur innerhalb und mit der NATO erfolgreich – sie ist niemals parallel zur NATO oder außerhalb der NATO möglich.
Gerade der Beitritt von Finnland und Schweden zur transatlantischen Allianz hat uns deutlich vor Augen geführt, wie bedroht Europa ist und welchen hohen sicherheitspolitischen Stellenwert Länder wie Finnland und Schweden der NATO beimessen, dass selbst ein über Jahrzehnte gepflegtes Selbstverständnis der Neutralität und Bündnisfreiheit, das zudem identitätsstiftend für Finnland und Schweden war, innerhalb von wenigen Wochen politisch beendet wurde.
Unsere Ostseeregion ist damit deutlich sicherer geworden. Wir freuen uns über den Beitritt unserer skandinavischen Freunde und die zukünftige Zusammenarbeit mit den Streitkräften.
Meine Damen und Herren,
ich sagte es bereits: Schleswig-Holstein braucht ein starkes Europa in einer sehr unruhigen Welt und ich möchte nun hinzufügen: Schleswig-Holstein profitiert von Europa in einer sich verändernden Welt.
Der weltweite Wettbewerb war schon immer hart. Das ist nichts Neues. Aber Europa ist mit neuen Teilnehmern im Markt konfrontiert. Der Aufstieg Chinas und das Streben der kommunistischen Staatsführung nach internationaler politischer Gestaltung ist eine neue Herausforderung, genauso wie die Vernetzung des sogenannten „Globalen Südens“, dessen Zusammenhalt sich ideologisch nur aus einer anti-westlichen Position begründen lässt.
Aber auch die USA fordern uns wirtschaftlich heraus – aber wir alle wissen: Nur durch Wettbewerb werden wir innovativer, schneller und besser.
Der weltweite Kampf um knappe Rohstoffe, die anhaltende ungesteuerte illegale Migration nach Europa und die internationalen Krisen und Kriege sind doch Beweis genug, dass der europäische Zusammenhalt und das Ziel, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, heute wichtiger denn je ist.
In diesem unruhigen Kontext ist der Binnenmarkt ein Stabilitätsanker für unsere Wirtschaft. Das bildet sich auch bei uns in Schleswig-Holstein ab: Wichtigste Handelspartner unserer Unternehmen sind Mitgliedsländer der Europäischen Union, aber auch die USA und China.
Deshalb ist es wichtig, dass Kommission und Parlament in der neue Wahlperiode Vorschläge zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes machen, damit wir auch in Schleswig-Holstein konkret profitieren, ob in der Zusammenarbeit mit Dänemark oder Schweden. Der Abbau weiterer Hemmnisse zwischen den Nationalstaaten ist für uns in Schleswig-Holstein von besonderer Bedeutung.
Von besonderer Bedeutung für uns in Schleswig-Holstein ist auch die EU-Förderung und Unterstützung der Entwicklung des ländlichen Raums. Und wer aufmerksam und mit offenen Augen durch Schleswig-Holstein fährt, sieht an zahlreichen Gebäuden und Einrichtungen den europäischen Sternenkreis, der darauf hindeutet, dass hier Mittel der EU geflossen sind und beispielsweise beim Bau von Dorfgemeinschaftshäusern unterstützt haben.
Der ländliche Raum ist ohne Landwirtschaft nicht vorstellbar. Und kaum ein Sektor wird so durch die Gesetzgebung der Europäischen Union geprägt, wie die Landwirtschaft. Und ich möchte an dieser Stelle unseren Bauern, allen Familien und deren Angestellten auf den Höfen in Schleswig-Holstein dafür danken, dass sie sich in diesem Berufszweig täglich den Herausforderungen stellen und unsere Ernährung an jedem Tag im Jahr sicherstellen.
Hier zeigt sich übrigens der Einfluss des Europäischen Parlaments. Aus Sicht der CDU sind in den vergangenen Monaten wichtige Entscheidungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft getroffen worden. Daran wird weiter zu arbeiten sein – im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, deren Abwägung im demokratischen Prozess der Europäischen Parlaments zu neuen Entscheidungen führen wird.
Schleswig-Holstein braucht ein starkes Europa in einer sehr unruhigen Welt.
Schleswig-Holstein profitiert von Europa in einer sich verändernden Welt.
Jetzt drängt sich doch die Frage auf: Welchen Beitrag leistet Schleswig-Holstein für ein starkes Europa?
Zunächst einmal sind wir alle gefordert, viel stärker und häufiger positiv von Europa zu sprechen. Vom einmaligen Friedensprojekt, das die Gründer der EWKG auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgebaut haben. Dass es möglich ist, Jahrhunderte alte Konflikte zwischen Nationen friedlich beizulegen. Die deutsch-französische Freundschaft ist erst wenige Jahrzehnte alt, die deutsch-polnische Aussöhnung ist sogar noch deutlich jünger. Ich sehe eine Aufgabe der Landespolitik darin, Begegnungen zwischen Menschen noch viel stärker als bisher zu ermöglichen.
Und dabei meine ich nicht nur Schüleraustausch oder Auslandserfahrungen für Studentinnen und Studenten im Rahmen von Erasmus-Programmen, sondern auch Begegnungen von Auszubildenden, Unternehmern, Bürgermeistern, Sportvereinen und vielen mehr.
In meiner Heimatstadt Mölln gibt es eine neue Städtepartnerschaft mit der griechischen Stadt Pyrgos, die aus den teils negativen Erfahrungen mit Vorurteilen während der Euro-Krise initiiert wurde. Dort fand kürzlich ein Turnier zwischen den beiden Tennisvereinen statt. Auch ein Ausdruck europäischer Freundschaft und Völkerverständigung.
Eine weitere Aufgabe ist es, sich intensiv um Begegnungen und Zusammenarbeit in der europäischen Nachbarschaft zu bemühen. Die Reform unserer Mitarbeit in internationalen Gremien für Kooperationen an Nord- und Ostsee ist dabei ein erster Schritt. Der Haushalt setzt uns enge Grenzen, aber wir ermöglichen auch weiterhin die Teilnahme an EU-Programmen, die wichtig sind für Prosperität als Region über Schleswig-Holsteins Grenzen hinaus. Ob von Hamburg über Lübeck und Fehmarn bis Kopenhagen und Malmö oder im Grenzland mit Süddänemark oder in Zusammenarbeit mit anderen Anrainern an der Nordsee. Aktive Nachbarschaftspolitik ist weiterhin Ziel der Landesregierung.
Ein letzter Punkt, sehr geehrte Damen und Herren:
Nicht verzagen.
Immer wieder für den Kompromiss in Europa werben. Konrad Adenauer hat in seiner Rede zur Selbstbehauptung Europas auf der ersten Tagung der Europäischen Kulturstiftung am 23. November 1957 in Amsterdam wie folgt ausgeführt:
„Als Politiker eines durch die Teilung Europas besonders schwer getroffenen Landes sage ich mir, dass der Schnitt quer durch unseren Kontinent Anlass sein sollte, um unserem politischen Lebenswillen neue Energie, neue Kraft zuzuführen.“
Und weiter:
„Wollen wir unseren politischen Vorstellungen treu bleiben, so bleibt nichts anderes übrig, als unablässig auf die Beseitigung dieses Zustandes zu dringen. Hier ist ein Punkt, wo wir nicht mit uns diskutieren lassen. Nur das Bewusstsein, dass die Freiheit Europas unteilbar ist, kann der Europa-Idee die Schwungkraft geben, die im Interesse unserer Selbstbehauptung notwendig ist.“
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel