Grenzöffnung | | Nr. 196/22
TOP 17: Grenzkontrollen endlich beenden
Es gilt das gesprochene Wort!
Ich bin ein Kind Europas. Unsere Generation ist im vereinten Europa großgeworden und hat das Zusammenwachsen mit unseren Nachbarn live miterlebt.
Ich bin aber auch ein Kind des Grenzlandes. Aufgewachsen nur wenige Kilometer von der deutsch-dänischen Grenze entfernt, habe ich die kleinen Grenzhäuschen noch genau vor Augen, die vielen Ausflüge mit der Familie nach Dänemark verbunden mit dem Warten an der Grenze oder hektischem Suchen nach den Ausweisen (und dem obligatorischem Besuch bei Rita in Krusau).
Die Öffnung der Grenze im Zuge des Schengener Abkommens im Jahr 2001 war für das ganze Grenzland ein besonderer Moment und eine große Erleichterung.
Unsere Region wuchs in der Folge erkennbar zusammen. Grenzüberschreitende Projekte nahmen ebenso zu wie der persönliche Kontakt zwischen Dänen und Deutschen.
Die kulturelle Vielfalt auf beiden Seiten der Grenze, die dänische und die deutsche Minderheit bereichern seit jeher unsere Region. Mit der Grenzöffnung erlebten sie einen wahren Schub.
Die Freizügigkeit prägt unsere wirtschaftlichen Beziehungen.
Sie fördert Kooperationen, beispielsweise im Rettungswesen und in der Bildung: so haben die Europa-Universität Flensburg und die Syddansk Universitet in Sonderborg gemeinsame Studiengänge. Wir lernen, arbeiten, handeln und leben zusammen.
Die politische Entscheidung Kopenhagens zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen schränkt dies erheblich ein.
Seit dem Jahr 2016 beruft sich Dänemark auf verschiedenste Gefahren für die innere Sicherheit.
Ja, das Sekundärrecht der Europäischen Union erlaubt die temporäre Rückkehr zu Grenzkontrollen in absoluten Ausnahmefällen.
Aber aus dem Ausnahmefall ist längst ein Regelfall geworden, unter dem die gesamte Grenzregion seit nunmehr sechs Jahren leidet.
Diesen Zustand, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gilt es endlich zu beenden.
Der Nutzen der Grenzkontrollen steht in keinem Verhältnis zu den Belastungen für das Grenzland, für die 13.000 Pendlerinnen und Pendler, die täglich die deutsch-dänische Grenze überqueren.
Deswegen befürworten wir den engen Dialog unseres Ministerpräsidenten und der Landesregierung mit unseren dänischen Freunden. Ich habe mich auch gefreut, dass Daniel Günther sich gestern in seiner Regierungserklärung deutlich für die Öffnung der Grenze aussprach. Wir begrüßen ausdrücklich die Entscheidung der Koalition, die Koordinierungsstelle der deutsch-dänischen Beziehungen direkt bei der Staatskanzlei anzusiedeln.
Der Dänemark- Bevollmächtigte Johannes Callsen leistet einen wichtigen Beitrag zur Verständigung und auch zum Abbau der bestehenden Grenzbarrieren.
Unser Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen ist als gebürtiger Däne ein weiterer wichtiger Brückenbauer zu unserem wichtigsten Handelspartner Dänemark.
Nicht ohne Grund ist die Dänemark-Strategie Teil des 100-Tage-Programms unserer Regierungskoalition. Auch in der vergangenen Legislatur haben wir uns für die regionale Zusammenarbeit in der Grenzregion und die Freizügigkeit stark gemacht.
Fachlich zuständig sind aber die nationalen Regierungen und die europäische Kommission.
Trotz aller Bemühungen hat sich Kopenhagen immer wieder für eine Verlängerung der auf sechs Monate befristeten Kontrollen entschieden.
Doch aus mehreren Gründen ist die Situation heute eine andere. Grund zum Optimismus gibt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Bezug auf die Grenzkontrollen Österreichs.
Das EUGH hat eindeutig Stellung bezogen: Die ständige Verlängerung von Grenzkontrollen über sechs Monate ist rechtswidrig.
Das betrifft auch unsere Grenze. Im November soll die jetzige Regelung auslaufen.
Das muss sie aus unserer Sicht auch und die Chancen stehen gut. Denn hinsichtlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes müssen die Grenzkontrollen von der Kommission neu bewertet werden.
Auch in Dänemark diskutiert man über die Kontrollen, zuletzt gab es viele Medienberichte im Inland über die schwierige Situation an der Grenze.
Selbst regierungsstützende Parteien stellen die Verhältnismäßigkeit der Grenzkontrollen in Frage.
Wir möchten unseren Nachbarn bestärken, wieder den Kern des Schengener Abkommens umzusetzen, der da lautet:
„Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden“.
Mit diesem gemeinsamen Antrag über die Fraktionsgrenzen hinweg möchten wir ein starkes Zeichen setzen und unseren Nachbarn Dänemark freundschaftlich ermutigen, die Grenzen wieder zu öffnen.
Damit sich der Wirtschaftsraum nach der schwierigen Zeit in der Pandemie erholen kann.
Damit die Region Schleswig weiter zusammenwächst
Damit keine Pendlerin und kein Pendler (wie im Sommer täglich) mehr eine Dreiviertelstunde in kilometerlangen Staus an der Grenze verbringen muss.
Damit unsere Kinder im Grenzland auch in ein freies Europa hineinwachsen können, so wie wir.
Ich freue mich daher, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag heute ein klares Signal nach Kopenhagen, nach Berlin und nach Brüssel sendet.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel