Bildung | | Nr. 254/23
TOP 12ff: Übergang von Kita zu Schule gestalten und Kompetenzen fördern
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ein Rad muss man nicht zwei-, drei- oder x-mal neu erfinden.
Wenn andere Mittel und Wege gefunden haben, ein Problem pragmatisch anzugehen, dann kann man diese Strategie ohne Eitelkeiten übernehmen.
Und dabei habe ich noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen, Lösungswege zu beschreiten, die aus Hamburg kommen und vom politischen rot-grünen Wettbewerber erfolgreich eingeschlagen wurden. Es geht um die Sache und nicht um Parteien.
Konkret: Bei der Vermittlung von Sprach- und anderen Kompetenzen, die Kindern den Übergang von Kita zur Schule erleichtern, macht Hamburg es mit großem Erfolg vor: Ein Screening der Kinder im Kita-Alter.
Nur frühzeitige Diagnostik von Förderbedarfen ermöglicht auch frühzeitige Intervention. Und genau diese brauchen wir, um mehr Chancengerechtigkeit in unseren Schulen zu schaffen.
Wir wollen bei den Viereinhalbjährigen den Entwicklungsstand erfassen und bei Bedarf, gezielt fördern und unterstützen: Beispielsweise bei der Sprache. Damit gehen wir den beschrittenen Weg von Landesseite konsequent weiter: Erst haben wir die Sprach-Kitas gerettet, nun fokussieren wir uns auf den Übergang Kita an Grundschulen.
Bisher führen wir Schuleingangsuntersuchungen durch, also Untersuchungen, wenn Kinder sechs Jahre alt sind, und fördern die Kinder im Halbjahr vor der Einschulung, die in einer Sprachintensiv-Maßnahme, kurz Sprintmaßnahme, sind. Auch gibt es Einschulungsgespräche mit Familien, deren Kinder keine Kita besuchen.
Das ist schön und gut, aber es reicht nicht aus. Alle Studien zeigen uns das und gerade mit unserem Wissen nach Corona sind wir in der Verantwortung. Wir müssen früher mit der Förderung anfangen.
Denn ein frühzeitiges Screening mit einhergehenden Fördermaßnahmen legt den Grundstein für einen erfolgreichen Bildungsweg. Und erspart Kindern, die Unterstützung brauchen, Scham, Schuldgefühle oder anderes nur wenige Jahre später.
Es erleichtert das Erlernen von Vorläuferkompetenzen als Voraussetzung für das Erlernen basaler Kompetenzen.
Und das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Niemand, kein Kind, kein Elternteil, muss sich schämen, wenn er oder sie Unterstützung braucht. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Es ist richtig, auf Unterstützungsbedarf aufmerksam zu machen. Das ist keine Stigmatisierung.
Sinnvoll ist das insbesondere im Einzugsbereich der Perspektivschulen, im das Umfeld von Schulen mit besonders herausfordernder Lage. Wichtig ist uns, den Informationsaustausch zwischen Kindertageseinrichtungen, Grundschulen, Eingliederungshilfe und Jugendhilfe zu verbessern und auch die Kinder zu erreichen, die keine Kindertageseinrichtung besuchen.
Aber das ist nur der eine Teil eines Dreiklangs.
Weil die Schülerschaft immer heterogener wird, die Anforderungen an das System Schule kontinuierlich steigen, in den Elternhäusern immer weniger gelesen wird und zuhause nicht immer Deutsch gesprochen wird, ist mehr nötig:
Der zweite Ton im Dreiklang: Schulen und Kitas brauchen mehr Fachpersonal. Bei uns in Schleswig-Holstein gehen wir mit dem Handlungsplan zur Lehrkräftegewinnung stringent voran, und haben bereits eine Vielzahl an Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Und der dritte Ton: Wir müssen uns fokussieren und auf das Wesentliche konzentrieren: Weniger das Unterrichtsfach „Glück“ in der Schule, dafür mehr Lesen, Schreiben und Rechnen. Denn nur so können wir die desaströse Lage verbessern, die wir alle hier kennen:
Ein Viertel der Viertklässler scheitert an den Mindeststandards beim Lesen, deutlich mehr als im Jahre 2001. Die Kinder sind somit nicht in der Lage, zentrale Informationen aus einem Text zu filtern und den Sinn gut zu verstehen.
Aber es betrifft nicht nur das Lesen: Den Grundschülern fehlen leider grundlegende Kompetenzen beim Lesen, Schreiben, Rechnen. Das ist keine subjektive Beobachtung – nein, das belegen die IGLU-Studie sowie der IQB-Bildungstrend.
Es braucht also mehr Zeit zum Lesen, Schreiben und Rechnen: Also erhöht die Landesregierung die Unterrichtszeit in den Grundschulen. Zwei zusätzliche Stunden sollen verbindlich in Deutsch und Mathe gegeben werden. Und dort, wo die Defizite am größten sind – oder pädagogisch ausgedrückt: Dort, wo die Verbesserungsmöglichkeiten am größten sind – an unseren Perspektivschulen – sollen zwei weitere Stunden in die 1. und 2. Jahrgangsstufe gegeben werden.
Leider wird in Deutschland deutlich weniger gelesen als in anderen Staaten. Wir bringen es im 4. Jahrgang auf nur 141 Minuten pro Woche, während es im OECD-Durchschnitt rund eine Stunde mehr ist.
Und da wollen wir nun ran: Wir fordern die Schulen auf, mehr zu lesen. Dazu erproben wir das Programm „Leseband“ an 30 Schulen. Dort wird dann täglich 20 Minuten verbindlich gelesen. Und das unabhängig vom Fach. Es muss ja nicht immer nur der Deutschunterricht sein.
Aber natürlich bin ich mir auch bewusst, dass zuhause mehr gelesen werden muss, damit sich das Gelernte bzw. das Gelesene verfestigt. Da müssen wir auch Eltern mehr in die Pflicht nehmen.
Und leider müssen wir auch viel niedriger ansetzen an einigen Stellen: Wir müssen Eltern erklären, warum das Lesen zentral ist – für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Eltern selbst.
Überdies soll ein wesentlicher Baustein in der sprachlichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen der länderspezifische Grundwortschatz sein, den wir im Schuljahr 2024/25 einführen wollen. Mit dieser Wörtersammlung sollen Schülerinnen und Schüler Rechtschreib-Strategien erwerben und auch Rechtschreibsicherheit gewinnen.
Im Kern wollen wir doch in die gleiche Richtung, liebe FDP und liebe SPD.
Ich weiß, dass Sie lieber das Haar in der Suppe suchen als mit uns gemeinsam eine richtig gute und stärkende Kraftbrühe für unsere Schulen zu kochen.
Aber ich bitte Sie: Binden Sie sich eine Schürze um und bringen Sie gerne ein paar Zutaten mit.
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel