Landeshaushaltsordnung | | Nr. 218/24
TOP 11: Wir wollen die Wehrhaftigkeit des Staates leben
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind gut beraten, uns die Lehren aus der Vergangenheit immer wieder vor Augen führen. Mit Erlaubnis des Präsidenten beginne ich deshalb mit einem Zitat von Karl Popper, der 1945 unter dem Eindruck des Nationalsozialismus und dem vorherigen Scheitern der Weimarer Republik formulierte:
„Wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
Eine liberale Demokratie zu sein bedeutet nicht, extremistische Umtriebe als Ausdruck von Meinungsfreiheit ohne Widerspruch akzeptieren zu müssen. Oder – und darum geht es heute – sie gar mit Landesmitteln zu fördern. Wollen wir aus Landesmitteln z.B. antisemitische Inhalte finanzieren? Für die CDU-Fraktion sage ich: auf gar keinen Fall.
Wir haben uns als schleswig-holsteinischer Landtag schon oft sehr klar zu einer vielfältigen Gesellschaft bekannt, uns gegen jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung gestellt und Antisemitismus entschlossen abgelehnt. Und dies erwarten wir grundsätzlich auch von Empfängerinnen und Empfängern von Landesmitteln in Schleswig-Holstein.
Aber muss der Staat vielleicht auch rassistische Inhalte oder solche, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zum Ausdruck bringen, finanzieren, weil sie von der Kunst- oder der Meinungsfreiheit geschützt sind? Müssten wir zum Beispiel Performances mit antisemitischen Inhalten, wie es sie andernorts schon gegeben hat, fördern, wenn die Zuwendungsrichtlinie passt? Hinnehmen müssten wir sie ja sowieso, wenn sie unter dem Schutz der Kunstfreiheit stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ausgesprochen froh, dass sich mittlerweile führende Juristen aufgrund verschiedener Gutachtenaufträge die Mühe gemacht haben, diese Frage zu beleuchten. Und ich bin auch froh über das Ergebnis.
Einer antisemitischen Performance, die unter den Schutz der Kunstfreiheit fällt, dürfen wir die Landesförderung verweigern, das greift nicht in die Kunstfreiheit ein. Es gibt kein Recht auf Kunstförderung. Wir dürfen durch ein parlamentarisch beschlossenes Gesetz wie wir es hier vorlegen, die Landesregierung ermächtigen, in den einzelnen Ressorts zu prüfen, ob Zuwendungen unter die im Gesetzentwurf genannten Voraussetzungen gestellt werden sollen.
Der Staat als Zuwendungsgeber darf in die Meinungsfreiheit der Antragsteller eingreifen, wenn er einen Schutzauftrag von Verfassungsrang zu erfüllen hat. Das ist hier der Fall. Spezielle Merkmale benötigen nach der Überzeugung des Verfassungsgesetzgebers einen stärkeren Schutz durch den Staat. Geschlecht, Rasse, Herkunft, Glaube und die weiteren Merkmale aus Art. 3 Abs. 3 GG.
Wir dürfen von denen, die eine Förderung begehren und bei denen es nicht offensichtlich ist, verlangen, dass sie im Antragsformular unter einem entsprechenden Erklärungstext – Bekenntnis zur vielfältigen Gesellschaft, Positionierung gegen Diskriminierung und Ausgrenzung, Ablehnung von Antisemitismus – das „Ja“ ankreuzen.
Dies hat mit überbordender Bürokratie nichts zu tun. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass das Kreuz unrichtig gesetzt war, wird der Förderbescheid zurückgenommen und das Geld muss zurückgezahlt werden. Das richtet sich dann nach den allgemeinen Regeln für die Rücknahme von Verwaltungsakten.
Den Antragstellern geben wir Definitionen der unbestimmten Rechtsbegriffe an die Hand. Wer meint, dass die genauer gefasst werden sollten, der möge zur Präzisierung beitragen, aber nicht dem Gesetzentwurf als solchem seine Zustimmung verweigern. Die Antisemitismusdefinition ist allerdings die der International Holocaust Remembrance Association.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen das Vorgenannte regeln - und wir wollen es auch. Wie gehen auch davon aus, dass die unterschiedlichen Ressorts der Landesregierung von der Ermächtigung auch Gebrauch machen werden. Als im Mai die LIDA-Zahlen veröffentlicht wurden, hat uns die Jüdische Gemeinschaft erneut gemahnt, dass die sicheren Räume für Jüdinnen und Juden immer enger werden, bis sie komplett aus ihnen verdrängt werden, wenn wir dem Antisemitismus nicht entschieden und konsequent begegnen.
Wir wollen die Wehrhaftigkeit des Staates leben. Wir wollen uns nicht selbst paradoxieren. Sonst werden wir unserem Schutzauftrag nicht gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen des SSW, Ihr Änderungsantrag beruht auf der Annahme, dass niemand gezwungen werden dürfe, eine bestimmte Erklärung abzugeben, weil dies verfassungswidrig wäre. Das ist schlicht falsch.
Gleichwohl beantrage ich die Überweisung beider Gesetzentwürfe – Drs. 2321 und 2347, ebenso der Drs. 2362 – federführend in den Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend in den Finanz- und den Bildungsausschuss. Vielen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel