Sicherheit | | Nr. 258/24
TOP 1: Konkrete Maßnahmen für die Sicherheit im Land
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Brokstedt, Mannheim, Solingen.
Die Aufzählung könnte ich weiterführen. Schreckliche, in gewissen Punkten ähnliche und doch sehr unterschiedliche Taten. Begangen von Menschen, die unser freiheitliches, offenes und tolerantes Zusammenleben, unsere liberale Demokratie, ablehnen oder sogar bekämpfen wollten. Aus unterschiedlichen Gründen: Islamismus, individueller Frustration, gescheiterter Integration. Taten, die das Sicherheitsgefühl der Menschen in Deutschland und Schleswig-Holstein nachhaltig erschüttert haben. Jede Tat für sich, aber auch die Summe der Taten.
Laut ARD-Deutschland-Trend im September fühlt sich in Deutschland in der Öffentlichkeit nur noch knapp über die Hälfte der Befragten sicher oder sehr sicher. 72 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Befugnisse für die Polizei.
Und zugleich sehnt sich die große Mehrheit der Menschen in Deutschland nach Zusammenhalt in Zeiten, die von Unsicherheit und Negativschlagzeilen geprägt ist. Der Großteil der Gesellschaft, der Antworten erwartet. Antworten statt Streit.
Diese so dringend erwarteten Antworten gibt die Landesregierung gemeinsam. Ohne Streit. Ohne Schaum vor dem Mund. Ohne laut zu werden, um sich gegenseitig in der Positionierung zu übertreffen oder auf Unterschiede zu beharren. Diese Antworten gibt die Landesregierung mit dem Maßnahmenpaket in diesen besonderen Zeiten. Das Maßnahmenpaket ist ein starkes Zeichen der schwarz-grünen Geschlossenheit in Schleswig-Holstein, aber in Bezug auf die erforderlichen Bundesratsinitiativen gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg weit über Schleswig-Holstein hinaus. Dafür möchte ich mich bei der gesamten Landesregierung bedanken!
Herr Vogt, Sie haben sich gestern zitieren lassen, dass es „peinlich“ für den Ministerpräsidenten sei, dass erst ein Papier kopiert werde und er dann politisch schwierige Punkte streichen würde. Es tut mir ja schon fast leid, dass wir Sie enttäuschen müssen und uns auch in all diesen herausfordernden Punkten geeinigt haben. Auch in Punkten, die die FDP offenbar ablehnt.
Mit dem Maßnahmenpapier werden wichtige Initiativen, landes- und bundesrechtliche, auf den Weg gebracht, die die Polizei im 21. Jahrhundert dringend für ihre Arbeit braucht. Dabei haben wir alle kein Erkenntnisproblem. Wir wissen, dass sich Taten in fast allen Deliktsbereichen und Kommunikation sowieso massiv ins Internet verlagern. Dass sich Menschen zunehmend im Internet radikalisieren. Dass Hass und Hetze im Netz zunehmen.
Allerdings haben wir den Entwicklungen nach wie vor nicht die entsprechenden Befugnisse unserer Polizei angepasst. Das wird mit dem Maßnahmenpaket in entscheidenden Punkten nachgeholt und mit den Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht.
Aktuell ist es aufgrund zweier Gerichtsentscheidungen nicht möglich, ganz entscheidende Daten überhaupt zu erheben.
Das eine sind die Funkzelldaten zur Strafverfolgung:
Gerade aus meiner Berufserfahrung als Staatsanwältin weiß ich nur zu gut, dass die Funkzelldaten gerade bei gewerbsmäßigen Diebstahlstaten häufig die einzigen Ermittlungsansätze sind. Umso wichtiger, dass der Bundesjustizminister endlich einen Vorschlag vorlegt, um den Schwebezustand zu beenden. Und das darf nicht heißen, dass mit dem Vorschlag die bisherigen Befugnisse deutlich eingeschränkt werden, sondern vielmehr auch eine ausdrückliche Erweiterung auf Fälle der gefährlichen Körperverletzung umfasst ist!
Das andere sind die so genannten Verkehrsdaten. Ich betone es gerne nochmal: Quick-Freeze und Co. sind zwar schön und gut, werden aber die Probleme nicht lösen. Und zwar ganz einfach deswegen nicht, weil die Daten schon längst gelöscht sind, wenn sie gebraucht werden! Der Europäische Gerichtshof hat in seinen Entscheidungen klargestellt: eine anlassbezogene Verkehrsdatenspeicherung ist unter engen Voraussetzungen möglich. Den Spielraum für Mindestspeicherfristen lässt der Bund bisher ungenutzt – das müssen wir endlich ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Erfassen von relevanten Daten ist allerdings nur der erste Schritt. Ohne eine Analyse der vorhandenen Daten bringt auch die Datenerhebung recht wenig. Die Datenanalyse liegt bisher nach wie vor vollständig bei den Beamtinnen und Beamten, um Zusammenhänge zwischen Taten, Personen oder Orten zu erkennen. Im Bereich der Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern setzen wir mit GriffEye schon jetzt ein System ein, das bei der Analyse von Dateien hilft. Auch hier werden wir mit der automatisierten Datenanalyse einen wesentlichen Schritt weitergehen, um Daten schneller und effektiver in Beziehung setzen zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat den rechtlichen Rahmen abgesteckt und diesen werden wir künftig auch nutzen.
Der Blick zum Schutz unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung liegt aber nicht nur bei der Polizei. Vielmehr muss es unser Ziel sein, Gefahren und verfassungsfeindliche Bestrebungen früher als bisher zu erkennen. Deshalb braucht es auch weitere Eingriffsbefugnisse für den Verfassungsschutz. Auf drei möchte ich kurz eingehen:
Erstens, ein entscheidender Punkt: die sogenannte Quellen-TKÜ. Also das Überwachen von Telekommunikation an der Quelle. Bisher hat unser Verfassungsschutz keine Möglichkeit, verschlüsselte Telefonie und Kommunikation zu überwachen. Allerdings wissen wir auch hier, dass Menschen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und bekämpfen wollen, eben nicht mehr über Festnetzanschluss ihre Kontakte knüpfen oder sich gegenseitig Postkarten schreiben. Natürlich werden alle Möglichkeiten der verschlüsselten Kommunikation genutzt. Umso wichtiger, dass unsere Sicherheitsbehörden nicht länger das Nachsehen haben und das neue Landesverfassungsschutzgesetz eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine Quellen-TKÜ vorsieht! Und wer meint, dass wir damit einem Überwachungsstaat gleichkommen, dem empfehle ich einen Blick in die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und unserer Nachbarn in Hamburg, dort ist das nämlich bereits möglich.
Zweitens: Wir wissen auch, dass gerade im islamistischen Spektrum gezielt junge Menschen, teilweise auch Kinder und Jugendliche angeworben werden. Darum ist es nur folgerichtig, die Speicherung von Daten Minderjähriger regelmäßig ab 14 Jahren zu ermöglichen.
Drittens: Auch bei der Arbeit des Verfassungsschutzes gilt das eben für die Polizei Gesagte: auch hier fallen immer größere Datenmengen an, die künftig mithilfe technischer Systeme, auch selbstlernender, ausgewertet werden können. So können noch schneller Zusammenhänge erkannt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes entlastet werden. Unter anderem mit diesen drei Maßnahmen stellen wir die richtigen Weichen für das neue Landesverfassungsschutzgesetz.
Im letzten Jahr haben wir angefangen, uns gedanklich mit den möglichen Wahlergebnissen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu beschäftigen. Wir alle haben vor dem gewarnt, was letztendlich Realität geworden ist. Zu den Ursachen gibt es viele Erklärungsansätze.
2022 haben wir es gemeinsam geschafft, dass die AfD ihre Plätze in diesem hohen Hause räumen musste. Es wäre naiv zu glauben, dass das jetzt auch noch so wäre. Umso wichtiger, dass wir gerade jetzt mit konkreten und sachlichen Maßnahmen dem Vertrauensverlust in die demokratischen Parteien entgegenwirken, dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Es liegt an uns, die Sorgen der Menschen in unserem Land nicht den Feinden unserer Demokratie überlassen.
Eine der Sorgen hat sich durch den Migrationsdruck in den vergangenen Jahren, die Überlastung der Kommunen bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten und die dadurch entstandene Überforderung eines Großteils der Gesellschaft verstärkt: der Eindruck, dass wir uns zu viel um diejenigen kümmern, die nicht in Deutschland werden bleiben dürfen und dadurch zu wenig Kapazität für diejenigen haben, die schon immer in Deutschland leben oder nach Deutschland gekommen sind und einen Schutzanspruch haben. Wir alle stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Ich glaube aber, dass wir bei dem Versuch, unserem Anspruch einer humanitären Flüchtlingspolitik in quantitativer Hinsicht gerecht zu werden, die Qualität aus dem Auge verloren haben.
Dadurch haben wir einen Teil der Gesellschaft verloren. Dadurch ist ein großes Gefühl der Ungerechtigkeit, sowohl auf Seiten der Geflüchteten, aber auch in unserer Gesellschaft entstanden.
Dieser Überforderung und dem Gefühl der Ungerechtigkeit werden wir nur mit einer Begrenzung der Migration und insbesondere einer Reduzierung der irregulären Migration begegnen können.
Einige Maßnahmen auf Bundesebene gehen schon in die richtige Richtung. Wichtig ist aber, dass wir nicht nur mit dem Finger aufeinander zeigen, sondern jeder stärker Verantwortung in seinem Zuständigkeitsbereich übernimmt. Und das tut die Landesregierung mit den im Maßnahmenpaket angekündigten Punkten und sendet gleichzeitig mit den Bundesratsinitiativen wichtige Impulse an den Bund.
Über das Thema Abschiebungen sprechen wir diese Woche noch einmal ausführlicher. Trotzdem möchte ich kurz drauf eingehen: schnelle und konsequente Abschiebungen gehören zu einem funktionierenden Asylsystem dazu und in diesem Punkt waren bzw. sind wir aus unterschiedlichen Gründen noch nicht gut genug. Die angekündigte Zentralisierung in Bezug auf besonders schwierige Personengruppen ist deswegen ein wichtiger und richtiger Schritt. So entlasten wir die Kommunen und erhöhen die Effektivität.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Abschiebungen allein das Problem nicht werden lösen können. Es ist entscheidend, wer überhaupt in unser Land kommt. Deswegen sind humanitäre Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen so wichtig.
Der größte Knoten ist aber die über Jahre hinweg entstandene Über-Komplexität unseres Asylsystems. Das System lähmt sich in Teilen selbst. Das führt dazu, dass Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, aktuell zu lang auf einen Verfahrensabschluss warten. Hier haben die Verwaltungsgerichte schon gegengesteuert. Aber die Gerichte können eben nur mit dem arbeiten, was wir Ihnen an Beschleunigungsmöglichkeiten an die Hand geben. Eine solche gesetzliche Beschleunigung brauchen wir bei Menschen aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von unter 5 Prozent, ohne dabei das individuelle Recht auf Asyl in Frage zu stellen. Unser Grundgesetz sieht diese Möglichkeit vor und es ist an der Zeit, dass wir diese Möglichkeit nun auch nutzen.
All die angesprochenen Maßnahmen werden aber nicht ihre Wirkung entfalten können, wenn wir nicht endlich den Informationsaustausch zwischen Behörden verbessern und vereinfachen. Wie im Fall Brokstedt haben wir auch im Fall Solingen erlebt, dass der Informationsaustausch nicht funktioniert hat. Deswegen knüpft die Landesregierung richtigerweise an unsere Forderung aus dem 10-Punkte-Papier an, indem zum Beispiel auch Daten erkennungsdienstlicher Behandlungen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden sollen. In diesem Punkt sind noch einige dicke Bretter zu bohren – die Landesregierung ist bereit dazu und das ist gut so.
Antworten als reine Lippenbekenntnisse werden nicht reichen. Im Gegenteil. Einmal mehr kommt es bei diesem Maßnahmenpaket auch auf die Umsetzung an. Wir stehen an der Seite der Landesregierung, um das geschriebene Maßnahmenpaket mit Leben zu füllen und politische Realität werden zu lassen.
Gemeinsam, sachlich und in einem guten Miteinander.
Vielen Dank.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel