Justiz | | Nr. 274/24
Justiz zukunfstfähig aufstellen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das war ein Paukenschlag, der die Justiz erschüttert hat diese Woche. Und wir werden ihn noch eine Weile spüren.
Die Kollegen aus der Richterschaft, die Rechtspflegerinnen, Verwaltungsmitarbeiter, Gerichtsvollzieherinnen, die Beschäftigten der Serviceeinheiten, der Wachtmeistereien sind geschockt, verunsichert und aufgebracht und ihre Familien ebenfalls.Die Verantwortlichen in den Standortkommunen der Gerichte hier in Kiel, in Lübeck, Schleswig, Flensburg, Neumünster, Elmshorn und Itzehoe sind besorgt.
Das ist absolut nachvollziehbar. Und unsere Debatte ist deshalb wichtig.
Aber vollziehen Sie bitte auch folgendes nach:
Die Ministerin hat uns die ihr auferlegten Anforderungen an den Umfang des Beitrags zur Konsolidierung aus ihrem Ressort dargelegt. Die pauschalen Vorwürfe eines Mangels an Wertschätzung sind unberechtigt.
Die Ministerin hat im Ringen um den Beitrag, den ihr Ressort als Konsolidierung zu leisten hat, etwas erstritten, das bisher niemand würdigt. Das aber von hohem Wert ist: Sie hat es geschafft, dass es keinen Aderlass beim Personal gibt. Wenn man in der Justiz arbeitet und hört, wie es in vielen Bereichen knirscht, weil es personell so eng ist, mag man berechtigterweise denken: ja, natürlich nicht, das wäre ja noch schöner. Aber wer das sagt, muss begreifen, dass in der jetzigen Haushaltssituation alles auf den Prüfstand kommt und es keine Selbstverständlichkeiten mehr gibt. Die Ministerin hat sich vor ihre Beschäftigten gestellt und gesagt: „Das Personal wird nicht angerührt.“ Sie hat sogar gesagt: „Ich brauche mehr Leute. Zuallererst für die Staatsanwaltschaft. Das anfallende Pensum ist von dem vorhandenen Personalkörper nicht zu schaffen.“ Und die Ministerin hat erreicht, dass 25 neue Stellen bei den StAen geschaffen werden. Das ist so wichtig. Und das gehört auch in diese Debatte.
Ich appelliere deshalb auch an die Verantwortlichen und die Betroffenen in der Justiz:
Sie alle erheben gerade die Anhörungsrüge. In der Justiz wissen wir aber auch, dass es Konstellationen gibt, in denen aus besonderen Gründen zuerst die Entscheidung getroffen und die Anhörung des oder der Betroffenen sobald als möglich nachgeholt wird.
Dies ist hier so ein Fall. Die Ministerin führt nun die erforderlichen eingehenden Gespräche mit jedem Gericht. Vieles muss nun besprochen, erklärt und detaillierter als bislang begründet werden. Und es gilt das aufzunehmen, was aus Sicht der Gerichte zu berücksichtigen sein wird. Damit behutsam konkretisiert wird, wie für die Beschäftigten Härten aufgefangen und Übergänge sinnvoll gestaltet werden sollen.
Bei den Fachgerichten gibt es gute Gründe für die Pläne der Landesregierung.
Indem wir Standorte konsolidieren und Ressourcen bündeln, haben wir mehr Möglichkeiten, die Gerichtsbarkeiten auf andere Weise zu entlasten und gut auszustatten. Ich nenne hier nur die Möglichkeiten einer gemeinsamen Verwaltung und IT.
Zur Bürgernähe: Die kritischen Kommentare, die wir bislang lesen konnten, erwecken bei der breiten Öffentlichkeit den Eindruck, bislang habe nahezu jeder ein Arbeits- und ein Sozialgericht um die Ecke. Das stimmt nicht. Aus St. Peter fahre ich mit dem Auto anderthalb Stunden zum Arbeitsgericht, dafür muss ich nämlich nach Flensburg, mit ÖPNV also auch über zwei Stunden, und für die 80km zum Sozialgericht nach Schleswig ist es nur wenig kürzer bzw. schneller.
Zentralisierung bedeutet nicht Entfremdung. Unsere Justiz praktiziert bereits Gerichtstage an anderen Orten als dem Gerichtssitz. Ich habe das Zutrauen, dass die Arbeits- und Sozialjustiz in der Zentralisierung flexibel und bürgernah bleiben wird. Wichtig ist für den Bürger als Verfahrenspartei, dass er um die Ecke einen guten Anwalt findet. Mit dem er vielleicht sogar in dessen Kanzlei an der Videoverhandlung teilnehmen kann. Und dass er ohne anwaltlichen Beistand möglichst wohnortnah und niederschwellig seinen Antrag zu Protokoll geben kann.
Die komplexen Großverfahren, die eine besondere und damit auch jeweils besonders teure individuelle Logistik erfordern, nehmen in den letzten Jahren zu. Insofern dürfte es unstrittig sein, dass man, wenn man eine Zentralisierung der beiden Fachgerichtsbarkeiten vornimmt, auch die großen Verhandlungssäle in den Gebäudekomplex integriert.
Bei den Amtsgerichten ist es anders, und deshalb ist mir folgendes sehr wichtig: Es wäre ausreichend, ein Amtsgericht pro Kreis zu haben. Wie viele Angelegenheiten kann ich als Einwohner eines Flächenkreises nur in meiner Kreisstadt erledigen? Allerdings kennen wir sicherlich als Kommunal- und Landespolitiker auch Schließungen oder Zusammenlegungen aus Effizienzüberlegungen, die erheblich teurer wurden als gedacht oder deren Synergieerwartungen sich nicht vollständig erfüllt haben.
Deshalb: Bei den Amtsgerichten geht es nicht um eine Zielvorgabe aus Prinzip. Sondern dort, wo wir sowieso neu bauen werden, wir besonders große Sanierungskosten hätten, wo Mietverträge absehbar auslaufen, dort werden wir auch konkret über Zusammenlegungen nachdenken und diese grundsätzlich anstreben. – Der Jurist weiß, was grundsätzlich bedeutet. Dass nämlich Ausnahmen möglich sind, wenn es dafür gute Gründe gibt.
Das werden auch intensive Debatten mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Frau Ministerin, und notwendig sind sie auch: ich schätze selbstbewusste Amtsgerichte sehr.
Und es wird unsere Aufgabe als Parlament sein, darauf zu achten, ob wir in der Praxis weitere Bedarfe für mehr digitale Verhandlungen oder andere prozessuale Modernisierungen finden, die wir zugunsten von Bürgern und Justiz über den Bundesrat regeln könnten.
Lassen Sie uns auch Wert darauf legen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Arbeitsplätze, die wir neu ausbauen, gute, attraktive Arbeitsplätze sind, an denen die Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz gern arbeiten werden. Und dass wir überzeugt sein können, dass wir die Justiz gerade nicht geschwächt, sondern für die aktuellen und künftigen Anforderungen gut gerüstet haben.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel