Europa | | Nr. 211/17
Nur gemeinsam werden wir stark genug sein, um die Zukunft zu meistern
Es gilt das gesprochene Wort
Zunächst sage ich allen Mitarbeitern, die an der Erstellung des Europaberichtes 2016-2017 mitgewirkt haben einen herzlichen Dank! Es ist einmal mehr eine fundierte Datensammlung aus allen Fachbereichen entstanden. Der Europabericht enthält die breite Palette an Themen, die die europapolitische Arbeit unseres Landes gelegentlich auch mit neuen Schwerpunkten berührt.
Der Bericht umfasst neben einer Einführung zur aktuellen politisch schwierigen Lage alle wesentlichen Punkte, die wir im Parlament - insbesondere im Europaausschuss und im Plenum - immer wieder intensiv behandelt haben – und dies sicher auch in Zukunft tun werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, morgen jährt sich zum sechzigsten Mal die Unterzeichnung der „Römischen Verträge“. Also die Grundlage der EWG und der europäischen Atomgemeinschaft. Es ging dabei um den Abbau von Handelshemmnissen, einem gemeinsamen Markt, um Bewegungsfreiheit von Kapital, Waren, Dienstleistungen und vor allem um die Bewegungsfreiheit der Menschen. Und um die friedliche Nutzung der Atomenergie. Schwer war um diese Verträge gerungen worden – Motor zur Einigung waren zum einen die Krisen und vor allem Kriegserfahrungen der vorangegangenen Jahrzehnte. Doch genauso entscheidend die Führungsstärke und das Verantwortungsbewusstsein der damals politisch Verantwortlichen.
Immer wieder in den darauffolgenden Jahrzehnten gab es Krisen, um deren Lösungen hart gerungen wurde. Aber nie wurde dabei die Europäische Union als Vereinigung aller Mitgliedstaaten in Frage gestellt. Die politische Lage in Europa und der Welt hat sich in einer Art und Weise entwickelt – dramatisch entwickelt –, die wir uns vor einigen Jahren so nicht hätten vorstellen können und mit deren Auswirkungen wir umgehen müssen.
Kriegerische Auseinandersetzungen, untragbare politische Verhältnisse im mittleren und nahen Osten, in Nordafrika, auf dem afrikanischen Kontinent, führten und führen zu einem Flüchtlingsaufkommen, das Europa vor eine gewaltige Aufgabe stellte und stellt. Einige Länder der EU haben diese Herausforderung angenommen, bei weitem jedoch nicht alle. Wir brauchen dafür eine Lösung, und zwar eine solidarische! Ein neues gemeinsames Asylrecht, wir dürfen nicht einzelne Länder, wie Griechenland und Italien mit diesen Problemen alleine lassen. Wir brauchen aber auch eine bessere Entwicklungshilfepolitik, einen von allen getragenen wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen und eine engere Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten. All dies kann kein Staat alleine!
Aber auch der Konflikt in der Ukraine, die weitere Entwicklung auf dem Westbalkan, die Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland, die sehr angespannte Finanzlage Italiens, der Brexit mit noch nicht absehbaren Folgen fordert die Europäische Union – und damit uns alle!
Zu alldem haben nun die USA mit einem Präsidenten, den wir als unberechenbar empfinden, der in Frage stellt, was für uns seit Jahrzehnten Grundlage der transatlantischen Zusammenarbeit ist. Wir haben in der Türkei einen Präsidenten, der Deutschland, aber auch die Europäische Union in einer Art und Weise beschimpft, die unerträglich ist. Eine Türkei – ein Nato-Partner - deren Regierung sich zunehmend von unseren Werten entfernt, die Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung zur Farce macht. Die Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel ist dafür ein Beispiel. Wir verlangen seine umgehende Freilassung!
Gerade in dieser Zeit, in der wir den Zusammenhalt Europas brauchen, zweifeln viele unserer Bürger an der Notwendigkeit eines vereinten Europas. In einigen Ländern, auch bei uns, gibt es Parteien, die diese Zweifel, aber auch die Unsicherheit vor einer immer komplexeren Welt verantwortungslos nutzen.
Sie haben keine Antworten auf die Herausforderungen, doch sie suggerieren, dass Nationalstaaten alleine diese Probleme lösen können, sie schüren Ressentiments bis hin zu Hass, sie diskriminieren. Ich erinnere daran, mit welcher Spannung mit welchen Befürchtungen wir alle auf das niederländische Wahlergebnis gewartet haben. Ebenso schauen wir nun nach Frankreich.
Doch auch die eine oder andere Äußerung unserer Nachbarn im Norden finden wir irritierend. Nicht alles ist perfekt in Europa, vieles muss verbessert werden. Doch die Europäische Union in Frage zu stellen, ist ein Spiel mit dem Feuer.
Nur gemeinsam werden wir stark genug sein, um die Zukunft zu meistern. Seit kurzem gibt es eine Initiative aus der Mitte unserer Gesellschaft „Pulse of Europe“, die dies ebenso sieht und dafür kämpft. Das macht Mut und muss von uns unterstützt werden. Lassen Sie uns nicht den zentralen Satz aus der „Berliner Erklärung“ von vor 10 Jahren vergessen: „Wir sind zu unserem Glück in Europa vereint!“ Das wird uns nicht geschenkt. Also lassen Sie uns dafür kämpfen und überlassen wir das Feld nicht den Populisten Europas!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen Sie mir bitte bei meiner letzten Rede hier im Landtag nach, dass ich nicht auf die vielen wichtigen Details des Berichtes eingegangen bin, sondern einmal die europäische Politik als Ganzes zu betrachten, an dem wir letztendlich ja auch mit unseren Möglichkeiten hier im Landtag im Kleinen mitwirken.
Wir alle dürfen nicht nachlassen, an unserem Europa zu arbeiten. Ich danke für siebeneinhalb Jahre guter Zusammenarbeit und wünsche allen Kollegen auch in Zukunft weise Beschlüsse für das eben beschriebene Europa.
Herzlichen Dank!
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel