8.Mai | | Nr. 163/20
Demokratiebildung ist der Schlüssel gegen Rechtsradikalismus
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
bei den Anschlägen in Hanau wurden am 19. Februar 2020 in der hessischen Stadt Hanau zehn Personen ermordet. In und vor zwei Shisha-Bars und auf der Fahrt zwischen beiden Orten erschoss der Täter 9 Opfer. Später wurden er und seine Mutter in der Wohnung seiner Eltern tot aufgefunden. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen, da „gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund“ vorlagen.
Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 war der Versuch eines Massenmordes an Juden am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Der Täter versuchte, in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um dort versammelte Personen zu töten. Nachdem ihm dies auch mit Waffengewalt nicht gelungen war, erschoss er vor dem Gebäude eine Passantin und kurz darauf den Gast eines Döner-Imbisses. Auf seiner Flucht verletzte er zwei Personen durch Schüsse und wurde schließlich von zwei Streifenbeamten festgenommen. Datum, Ziel und die antisemitischen Motive der Tat hatte er zuvor im Internet bekanntgegeben. Die Tat übertrug er per Helmkamera als Live-Streaming.
Der Mordfall Walter Lübcke ereignete sich am 2. Juni 2019 in Istha bei Kassel: Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, Mitglied der CDU, wurde vor seinem Wohnhaus mit einem Pistolenschuss in den Kopf aus nächster Nähe getötet. Als Motiv nannte der Täter Äußerungen Lübckes während der Flüchtlingskrise 2015. Lübcke hatte sich damals für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt und war der Hetze gegen diese von Seiten der Kagida, des Kasseler Ablegers der islamfeindlichen und rassistischen Pegida, bei einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 öffentlich entgegengetreten.
Ich glaube nicht mehr an die Geschichte von Einzeltätern, die nichts miteinander zu tun haben. In unserer Gesellschaft gibt es eine Bewegung, die die Stimmung aufheizt und Terror befördert. Diese Stimmung wird von Pegida, der AfD und anderen massiv verursacht. Und: ja! Diese Bewegung ist rechtspopulistisch, rechtsextrem teilweise sogar nationalsozialistisch. Gegen diese Bewegung müssen wir uns als Demokraten mit aller Kraft stemmen. Auch oder gerade hier im Parlament.
Unser Antrag reiht sich ein in viele Maßnahmen und Anträge, die wir in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben. Als Beispiele: Wir treten rechtsextremen Vereinsgründungen entschlossen entgegen. Wir unterstützen die Deradikalisierung mit Projekten in den Justizvollzugsanstalten. Wir haben bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus eingerichtet. Wir haben die Ausrüstung unserer Landespolizei für Terrorabwehr angepasst. Wir haben flächendeckend Beratungen von Opfern rechtsextremer Angriffe eingerichtet. Wir haben viel dafür getan, dieser Herausforderung zu begegnen. Wir sind tätig.
Ich glaube allerdings, dass neben der direkten Abwehr – Maßnahmen habe ich genannt – das Thema Demokratiebildung der Schlüssel ist, um gesellschaftlichen Entwicklungen in Richtung Rechtspopulismus und Rechtsextremismus entgegen zu treten. Der Besuch einer Gedenkstätte oder das Treffen von Zeitzeugen führt zu einer intensiven, authentischen und nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht. Jugend im Landtag, Modell United Nation oder die Mitarbeit in einer Schülervertretung machen Demokratie erlebbar und können für diese Prozesse begeistern. Das ist übrigens nicht nur ein Thema für Kinder und Jugendliche. Darum müssen wir uns kümmern.
Heute kann kein besserer Tag sein, um ein deutliches Signal gegen diese Tendenz in unserer Gesellschaft zu setzen. Der 8. Mai mahnt uns – der Landtagspräsident hat es heute morgen deutlich gesagt – dass die Demokratie wehrhaft sein muss. Daher will ich - mit Erlaubnis des Präsidenten - mit einem Zitat von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner bewegenden Rede vom 8. Mai 1985 schließen.
„Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz oder Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.
Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben.
Ehren wir die Freiheit.
Arbeiten wir für den Frieden.
Halten wir uns an das Recht.
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge.“
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel