Perspektivplan | | Nr. 056/21
TOP 2+3: Der Perspektivplan der Landesregierung wird sich auszahlen
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Öffnen oder nicht öffnen – das ist hier die Frage! Mit diesem leicht abgewandelten Shakespeare Zitat will ich heute meine Rede beginnen. Der Originalsatz von Hamlet wird regelmäßig in Situationen zitiert, die von existenzieller Bedeutung sind. Und genau in einer solchen Situation befinden wir uns.
Uns alle - Regierung, Ministerien, Fraktionen und Abgeordnete - erreichen tagtäglich eine Fülle von Anrufen und E-Mails mit immer besorgteren und dramatischeren Botschaften.
Mehr als drei Monate Lockdown zerren zunehmend stärker an den Nerven der Menschen. Das geht einher mit Belastungen für Familien bei Kinderbetreuung und Homeschooling. Und nicht zuletzt haben drei Monate Lockdown in ganz vielen geschlossenen Bereichen mittlerweile echte Existenzfragen hervorgerufen.
Dabei geht es nicht nur um die entgangenen Geschäfte während des Lockdowns, sondern auch um die dauerhaften Folgen. Denn die Kunden, die im Lockdown vom örtlichen Einzelhandel zum Onlineanbieter gewechselt sind, die kommen möglicherweise nie wieder zurück – um nur ein Beispiel zu nennen.
Deshalb darf der Lockdown nicht länger dauern als unbedingt notwendig. Deshalb wollen wir wieder öffnen, sobald das Infektionsgeschehen es zulässt.
Genau aus diesem Grund haben wir bereits im Januar den Perspektivplan entwickelt, der diese Öffnungsschritte beschreibt und dafür einen Fahrplan aufstellt.
Dass nun im gestrigen Beschluss zum allerersten Mal auch für den unteren Inzidenzbereich - und nicht nur für Hochinzidenzbereiche - Maßnahmen ganz konkret an Inzidenzen geknüpft werden, ist ein Erfolg für unseren Ministerpräsidenten!
Das war nicht selbstverständlich, meine Damen und Herren, wenn man sich die ersten Reaktionen der anderen Bundesländer auf den schleswig-holsteinischen Perspektivplan anschaut.
Diejenigen Länder, die noch vor wenigen Wochen bei Inzidenzen von 300 oder 400 gelegen haben, betrachten solche Öffnungsschritte natürlich aus einem ganz anderen Blickwinkel. Sie haben noch deutlich härtere Maßnahmen ergreifen müssen - bis hin zu Ausgangssperren - um das Infektions-geschehen wieder in Griff zu bekommen. Da ist man verständlicherweise mit Lockerungen etwas vorsichtiger. Deshalb konnten wir auch nicht erwarten, dass unsere Vorschläge von allen Ländern und dem Bund eins zu eins übernommen werden.
Mit dem gestrigen Beschluss ist die Stufenlogik aber nun fest verankert und aus zukünftigen Beschlüssen auch nicht mehr wegzudenken. Der Lockdown wird damit nicht einfach um drei Wochen verlängert, sondern es werden gleichzeitig auch Perspektiven für erste Öffnungsschritte aufgezeigt.
Das ist gut so und dazu wäre es mit Sicherheit nicht gekommen, wenn Daniel Günther nicht bereits in der letzten MPK dafür gekämpft hätte und wenn wir nicht mit unserem Vorschlag zum Perspektivplan in die Vorlage gegangen wären.
Deshalb kann ich für die CDU-Fraktion sagen, dass wir mit dem gestrigen Ergebnis durchaus zufrieden sind, auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt wurden.
Neben dieser Entwicklung können wir vor allem aber froh sein, dass die Infektionszahlen seit Mitte Januar kontinuierlich gesunken sind. Die Inzidenzmarke von 50 ist zwar noch nicht ganz erreicht, aber in greifbarer Nähe. Damit ist endlich wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Der im Januar nochmals verschärfte Lockdown hat also gewirkt. Mit diesen Maßnahmen und dank des Einhaltens der Regeln durch die allermeisten Menschen ist es gelungen, das Infektionsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen.
Das gilt es an dieser Stelle einmal deutlich festzuhalten.
Denn das Ergebnis zeigt, dass die schrittweise Verschärfung des Lockdowns seit Oktober nicht der allerbeste Weg war, um der Virusausbreitung schnell Einhalt zu gebieten. Anstelle einer dreimonatigen Hängepartie wäre es besser gewesen, von Anfang an härtere Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn diese zu Beginn als unverhältnismäßig erschienen wären. Das muss uns für den weiteren Verlauf der Pandemie eine Lehre sein!
Umgekehrt dürfen wir jetzt aber bei der Öffnung auch nicht leichtsinnig werden und mit übereilten Lockerungen die mühsam errungenen Erfolge wieder zunichtemachen.
Das gilt umso mehr, als dass mit den aufgetretenen Virusmutationen die Gefahr einer dritten Welle latent vorhanden ist. Bereits jetzt sehen wir zeitgleich gegenläufige Entwicklungen von sinkenden Infektionszahlen einerseits und lokalen, sprunghaften Anstiegen andererseits, dort wo die Mutation auftritt.
Und gerade bei uns in Schleswig-Holstein ist die britische Mutationsvariante besonders häufig aufgetreten, weshalb wir jetzt in Flensburg eine vollkommen andere Situation haben als noch vor einigen Wochen mit einer der niedrigsten Inzidenzwerte bundesweit.
Die Politik steht damit vor einem schwierigen Entscheidungsdilemma:
Öffnen wir jetzt auf einen Schlag zu viel, dann lösen wir damit möglicherweise die nächste Infektionswelle aus. Wenn daraus in ein paar Wochen ein erneuter Lockdown resultiert, wäre damit niemandem geholfen und die Politik müsste sich zurecht Vorwürfe gefallen lassen.
Erfolgen die Öffnungen aber zu vorsichtig, dann gibt es möglicherweise insolvenzbedingt immer weniger, was sich später überhaupt noch öffnen lässt. Bei niedrigen Infektionszahlen ist zudem das Unverständnis über weitere Schließungen bei allen Betroffenen groß, was die Akzeptanz aber auch die Rechtssicherheit der Maßnahmen gefährdet. Auch das kann von der Politik nicht unberücksichtigt gelassen werden.
In der Abwägung zwischen diesen beiden Polen gilt deshalb einmal mehr die Aufforderung des Ministerpräsidenten, Maß und Mitte zu halten. Wir müssen die schwierige Gradwanderung hinbekommen, so viel zu öffnen wie möglich und gleichzeitig so viel wie nötig geschlossen zu halten, um eine weitere Infektionswelle mit einem erneuten Lockdown zu verhindern.
Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Deshalb ist es totaler Humbug, wenn die SPD versucht, unterschiedliche Auffassungen der drei Jamaika-Koalitionspartner am Anfang der Beratungen in der letzten Woche zu einem offenen Streit in der Koalition hochzustilisieren.
Meine Damen und Herren, umgekehrt wird daraus ein Schuh: Dass die drei Jamaika-Partner mit unterschiedlichen Sichtweisen in solche Beratungen hineingehen, das spiegelt die ganze Bandbreite des gesellschaftlichen Meinungsspektrums wider. Das ist ein riesiger Vorteil in dieser Situation.
Unterschiedliche Argumente und Positionen helfen nämlich dabei, die eigenen Ansichten immer wieder zu überprüfen und zu hinterfragen. Das führt dann zu einem Ergebnis, das die verschiedenen Aspekte bestmöglich berücksichtigt. Darin besteht das eigentliche Erfolgsrezept von Jamaika. So haben wir die ganze Zeit über schon immer Lösungen erarbeitet, die einen breiten gesellschaftlichen Konsens ermöglichen. Das ist jetzt in der Corona-Krise wertvoller denn je.
Wer das wie die SPD-Landesvorsitzende nicht erkennt, der hat nicht verstanden, worauf es in einer solchen Krise ankommt: Nämliche auf konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit.
Immer mehr habe ich dabei den Eindruck, dass die SPD hier bewusst mit verteilten Rollen agiert. In diesem Fall muss ich aber sagen, hat Ralf Stegner mit seiner staatstragenden Rolle eindeutig den besseren Part erwischt als die SPD-Landesvorsitzende mit ihrem Oppositionsgehabe. Wer in diesem Land politische Verantwortung übernehmen will, der muss sich auch in Krisenzeiten verantwortungsvoll verhalten. Effekthascherei mit Rücktrittsforderungen und herbeigeredeten Konflikten innerhalb der Regierung sind dabei einfach fehl am Platz.
Neben dem Agieren mit verteilten Rollen habe ich mittlerweile allerdings den Eindruck, dass auch inhaltlich bei der SPD nicht mehr alles zusammenpasst.
Da fordert der Oppositionsführer seit Wochen eine Inzidenzampel und jetzt, wo die Ampel auf Grün springt, also eine Inzidenz unter 50 in wenigen Tagen voraussichtlich erreicht ist, da schließt die SPD-Landesvorsitzende Öffnungen bis Ende Februar vollständig aus.
Bis dahin sollen Kitas und Schulen in Schleswig-Holstein komplett geschlossen bleiben – selbst in Kreisen wie Dithmarschen, Rendsburg-Eckernförde und Plön mit einer Inzidenz unter 35. Das ist die Position der SPD und das muss man allen Familien wirklich noch einmal ganz deutlich machen.
Meine Damen und Herren, wie gehen wir nun als Jamaika-Koalition mit dieser Situation um?
Wir haben immer gesagt, dass Schulen und Kitas für uns oberste Priorität haben. Sie sind deshalb im Perspektivplan als erster Öffnungsschritt vorgesehen und genau das machen wir jetzt auch. Wir halten damit unser Wort und sorgen damit in diesen schwierigen Zeiten für so viel Verlässlichkeit von politischen Ankündigungen wie nur möglich.
Im Stufenplan waren für die Öffnung von Schulen und Kitas zwei Alternativen vorgesehen, nämlich einerseits eine begrenzte Öffnung mit Wechselunterricht und eingeschränktem Regelbetrieb.
Andererseits eine Rückkehr zum vollständigen Präsenzunterricht für die unteren Jahrgänge zum normalen Regelbetrieb an Kitas. Wir haben uns dafür entschieden, die zweite Alternative am 22. Februar in Kraft treten zu lassen, die Öffnung allerdings im Schulbereich auf die Grundschulen zu beschränken. Die Rückkehr zum Regelbetrieb und zum Präsenzunterricht ist nach unserem Perspektivplan möglich, weil die Inzidenz seit mehr als 21 Tagen stabil unter 100 liegt und bereits deutlich auf die 50er Marke zugeht.
Besonders im Grundschulbereich ist diese Öffnung auch dringend notwendig. Nach meiner Wahrnehmung hat sich der Distanzunterricht an den weiterführenden Schulen mittlerweile ganz gut eingespielt. Das kann ich auch aus der persönlichen Erfahrung von 7. und 10. Klasse bei uns zu Hause sagen. Da erlebe ich eine Vielzahl von Videokonferenzen, von Rückmeldungen der Lehrkräfte zu den abgegebenen Aufgaben sowie von Referaten und Präsentationen, die schriftliche Test ersetzen.
Bei 1. bis 4.-Klässlern ist das im Distanz-unterricht aber alles deutlich schwieriger umzusetzen und stellt die Eltern vor umso größere Herausforderungen in der Betreuung ihrer Kinder. Die Öffnung der Grundschule ist deshalb die richtige Entscheidung. Jeder Tag, an dem die Grundschülerinnen und Grundschüler wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren können, ist ein Gewinn für Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit.
Allerdings setzt dieser landesweite Öffnungsschritt auch voraus, dass in den Kreisen und kreisfreien Städten, in denen die Infektionszahlen noch nicht ausreichend gesunken sind, weiterhin verschärfte Maßnahmen ergriffen werden. Das kann in diesen Fällen bedeuten, dass die Schulen und Kitas zunächst noch geschlossen bleiben oder dass in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten doch nur ein eingeschränkter Regelbetrieb bzw. Wechselunterricht erfolgen kann.
Die Wiedereröffnung von Kitas und Schulen geht damit einher, dass wir Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern ein Testangebot unterbreiten. Sie alle werden zukünftig auf Kosten des Landes regelmäßig einen Schnelltest durchführen können. Damit werden wir in erster Linie unserer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber gerecht. Gleichzeitig schaffen wir damit aber noch ein Stück mehr Sicherheit, damit es möglichst zu keinem Infektionsgeschehen an Schulen und Kitas kommt. Für die CDU-Fraktion begrüße ich dieses zusätzliche Angebot ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, der Beschluss der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin hat diesen Öffnungsschritt ermöglicht, indem den Ländern der Entscheidungsspielraum für die Wiedereröffnung von Kitas und Schulen eingeräumt wurde.
Davon machen wir jetzt Gebrauch und damit ist klar, dass wir auch über die weiteren Öffnungsschritte in Kita und Schule eigenverantwortlichen entscheiden können. Der Perspektivplan der Landesregierung wird dafür unsere Richtschnur sein. Dass wir diesen Spielraum jetzt nutzen können, ist der Erfolg von niedrigen Inzidenzzahlen in Schleswig-Holstein, die trotz des Auftretens der Virusmutation bei uns im Land nach wie vor zu den niedrigsten Werten bundesweit gehören. Das eröffnet auch Perspektiven für die weiteren Öffnungsschritte. Damit meine ich jetzt nicht nur die Friseure, sondern auch die weiteren Entscheidungen, die der Ministerpräsident heute vorgestellt hat und die entweder bereits zum 22. Februar oder zum 1. März in Kraft treten werden.
Wenn wir am 22. Februar auch wieder den praktischen Fahrunterricht für berufsbezogene Ausbildungen ermöglichen und wenn wir am 1. März neben den Friseuren auch die Nagelstudios, Blumenläden und Gartencenter, Wildparks und Zoos wieder öffnen sowie Individualsport auf und in Sportanlagen wieder zu lassen, dann sind das zwar alles nur kleine Schritte, aber es ist das was wir im Rahmen des von mir eingangs beschriebenen Entscheidungsdilemmas gut vertreten können.
Vor allem entsprechen diese Schritte den Maßnahmen, die wir mit unserem Perspektivplan für die erste Stufe in Aussicht gestellt haben. Auch an dieser Stelle setzen wir unsere Ankündigungen also in die Tat um.
Mit dem gestrigen Beschluss wurde darüber hinaus auch eine Perspektive für den Einzelhandel, für Museen und weitere körpernahe Dienstleistungen aufgezeigt. Für diese Bereiche hätten wir uns eine Öffnung schon bei einer Inzidenz unter 50 vorstellen können, so wie es der schleswig-holsteinische Perspektivplan vorsah. Stattdessen wird das jetzt erst ab einer Inzidenz von unter 35 möglich sein. Das ist sicherlich für die Betroffenen enttäuschend. Da diese Öffnung aber nicht an eine bundesweite Inzidenz von unter 35 geknüpft ist, können wir auch hier in Abhängigkeit von den landesweiten Zahlen über die nächsten Schritte in eigener Verantwortung entscheiden. Das lässt hoffen, dass wir auch diesen Öffnungsschritt in Schleswig-Holstein früher erreichen können als viele andere Bundesländer. Der Perspektivplan der Landesregierung wird sich dabei erneut auszahlen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließen noch einmal festhalten:
Wir haben in Jamaika auch bei diesen schwierigen Entscheidungen wieder eine gemeinsame Lösung gefunden. Konflikte in der Koalition würde sich die SPD vielleicht wünschen, davon kann aber überhaupt keine Rede sein. Wir sind uns unserer Verantwortung in dieser Krise sehr wohl bewusst und handeln entsprechend. Noch viel wichtiger ist aber, dass wir auch in der Sache selbst den schwierigen Spagat hinbekommen haben, Öffnungen vorzunehmen soweit es vertretbar ist, ohne dabei aber leichtsinnig zu werden und unkalkulierbare Risiken für die weitere Infektionsentwicklung einzugehen.
Wenn das gelingt, dann haben wir alles richtig gemacht. Ich glaube, das ist uns in Jamaika wieder einmal gut gelungen.
Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel