Corona | | Nr. 441/20
Disziplinierter und verantwortungsvoller Umgang mit der Pandemie in Schleswig-Holstein
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit den Maßnahmen im November ist es bundesweit gelungen, den exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen weitgehend zu stoppen und auf einem erhöhten Niveau zu stabilisieren.
Zuletzt knapp 120.000 Neuinfektionen in einer Woche sind aber nach wie vor deutlich zu viel. Warum? Weil seit Mitte Oktober die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19 Fälle stark ansteigt: Von 655 Patienten auf mittlerweile 3.826 Patienten am 26.11.2020. Bleiben die Infektionszahlen auf dem erhöhten Niveau, ist es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis unser Gesundheitssystem überlastet ist.
Warum? Weil die durchschnittliche Zeitdauer vom Auftreten erster Symptome bis zur Behandlung auf der Intensivstation 10 Tage beträgt, die durchschnittliche Behandlungsdauer auf der Intensivstation dagegen 18 Tage ausmacht. Bei unverändert hohen Infektionszahlen kommen also schneller neue Patienten hinzu, als die bisherigen Patienten hoffentlich geheilt entlassen werden können. Deshalb ist es richtig, die für den November bundesweit vereinbarten Maßnahmen zu verlängern und anzupassen. Wir müssen die Infektionszahlen nach unten bringen, damit alle Patienten weiterhin die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten können. Es darf nicht so weit kommen, dass die Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern über Leben oder Tod entscheiden.
Meine Damen und Herren, dabei fällt allerdings auf, dass die Entwicklung bundesweit sehr unterschiedlich verläuft.
Berlin lag zum Zeitpunkt der letzten MPK am 24. Oktober mit einem Inzidenzwert von knapp über 100 bundesweit ganz oben. Seitdem steigt das Infektionsgeschehen in Berlin ungebrochen weiter an. Mittlerweile ist der Inzidenzwert auf rund 200 gestiegen. Berlin hält damit den bundesweiten Spitzenplatz im negativen Sinne.
Ähnlich kritisch ist das Infektionsgeschehen in Sachsen. Auch hier ist ein ununterbrochener Anstieg zu verzeichnen. Die Inzidenz stieg von 40 im Oktober auf jetzt 190. Bundesweit der zweite Platz. Dann folgen Bayern, Hessen und NRW mit ebenfalls hohem Infektionsgeschehen. Der Inzidenzwert liegt hier zwischen 160 und 180 – aber der Anstieg ist in allen drei Bundesländern zum Stillstand gekommen. Die Inzidenzzahl bewegt sich im November nahezu seitwärts.
Und dann gibt es auch noch die Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die schon im Oktober die niedrigsten Inzidenzzahlen aufwiesen und bei denen die Entwicklung jetzt sogar leicht rückläufig ist. Schleswig-Holstein lag zum Zeitpunkt der letzten MPK nur knapp über einer 20-Inzidenz. Der Wert ist dann Anfang November auch bei uns auf über 50 bis knapp an die 60 heran gestiegen, seitdem verzeichnen wir einen allmählichen, kontinuierlichen Rückgang auf aktuell 48. Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern ist Schleswig-Holstein damit das Bundesland mit dem niedrigsten Infektionsgeschehen bundesweit.
Das ist der Unterschied, den wir uns vor Augen führen müssen: Ungebrochener Anstieg der Fallzahlen in Berlin und Sachen, Stagnation auf hohem Niveau in Hessen, Bayern, NRW und im Vergleich dazu die Schleswig-Holsteiner Zahlen: Nicht nur erheblich niedriger, sondern sogar leicht rückläufig. Bei der Expertenanhörung des Landtages hieß es dazu, Schleswig-Holstein hätte einfach Glück gehabt. Es sei eben das nördlichste Bundesland und damit am weitesten entfernt vom Infektionsgeschehen, das sich von Süden her ausgebreitet hätte.
Meine Damen und Herren, ich muss sagen, das war eine der wenigen Experteneinschätzungen, die ich so nicht teilen konnte. Für März und April schon, denn nach dem Ausbruch in Ischgl war Bayern einfach näher dran und damit stärker betroffen als Schleswig-Holstein. Da haben wir wirklich Glück gehabt. Wenn es aber bei einer weltweiten Pandemie das ganze Jahr über gelingt, die Infektionszahlen in Schleswig-Holstein niedrig zu halten, dann hat das nicht nur etwas mit Glück zu tun.
Wir hatten im Sommer Millionen von Touristen bei uns im Land zu Gast ohne jegliche Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen.
Als man bundesweit anfing sich über Reiserückkehrer Gedanken zu machen und eine Testpflicht für Urlauber aus Risikogebieten einführte, da waren am 8. August die Sommerferien bei uns im Land schon längst wieder zu Ende und zwar ohne irgendwelche Auffälligkeiten durch Reiserückkehrer.
Deshalb sage ich meine Damen und Herren: Nein, das hat nicht nur etwas mit Glück zu tun, sondern das haben wir uns selbst erarbeitet. Das haben wir uns selbst zu verdanken. Selbst erarbeitet, weil bei uns das ganze Jahr über strengere Regeln gegolten haben als bundesweit. Selbst zu verdanken, weil wir Norddeutschen offensichtlich disziplinierter und verantwortungsbewusster mit dieser Pandemie umgehen. Wir halten uns an die Regeln, wir bleiben im Urlaub zu Hause und wir feiern keine unerlaubten Partys. Zu keinem Zeitpunkt waren Familienfeiern in privaten Räumlichkeiten mit mehr als 50 Personen in Schleswig-Holstein zugelassen. Das Singen im Gottesdienst war trotz des damit verbundenen Eingriffs in die Ausübung der Religionsfreiheit durchgängig untersagt. Und das Tragen von Masken an Schulen gehört seit den Sommerferien mit dazu, auch im Unterricht und das sogar an Grundschulen bei hohen Infektionszahlen.
Meine Damen und Herren, dass wir jetzt besser dastehen als andere Bundesländer hat deshalb seinen Grund. Das ist unser aller Erfolg und darauf können wir stolz sein!
Weil wir besser dastehen, weil die Infektionszahlen bei uns niedriger sind und weil wir es geschafft haben, den Wert wieder unter 50 zu drücken, ist es auch nur folgerichtig, dass die Maßnahmen zukünftig infektionsabhängig ausgestaltet werden. Eine Verschärfung von Maßnahmen kommt deshalb für Schleswig-Holstein überhaupt nicht in Betracht. Strengere Kontaktbeschränkungen und Einschränkungen für den Einzelhandel sind dort richtig, wo die Infektionszahlen landesweit deshalb über 50 liegen, aber nicht bei uns in Schleswig-Holstein.
Stattdessen sind wir bei uns im Land in der Lage, körpernahe Dienstleistungen wieder zuzulassen sowie Tierparks und Zoos wieder zu öffnen. Kleine Erleichterungen, die am strengen Schleswig-Holsteiner-Kurs nicht viel ändern, aber die Beschränkungen doch etwas erträglicher gestalten.
Bei einer infektionsabhängigen Ausgestaltung der Corona-Maßnahmen muss es zuallererst darum gehen, für die Regionen mit besonders hohen Infektionszahlen verschärfte Regeln zu definieren. Das hatten sich die Bundesländer Mitte November zur Halbzeitanalyse eigentlich auch vorgenommen.
Im thüringischen Landkreis Hildburghausen mit einer Inzidenz von sage und schreibe 602 hat in dieser Woche der CDU-Landrat die Schließung aller Schulen und Kitas für fünf Tage sowie erste Ausgangsbeschränkungen angeordnet. In den anderen Bundesländern ist davon zu meinem Entsetzen bislang wenig zu sehen. Das darf nicht so weitergehen!
Man hat eher das Gefühl, dass sich alle Landesregierungen, egal ob A- oder B-Seite, vor diesen unangenehmen Entscheidungen drücken und sich lieber hinter bundesweit einheitlichen Regelungen verstecken wollen.
Im Ursprungsentwurf der Ministerpräsidenten fand sich dazu nur der lapidare Satz, dass in Hotspots „wie bisher“ regionale Verschärfungen vorgesehen werden könnten. Erst durch die Beratungen mit der Bundesregierung ist klargestellt worden, dass Hotspots überall dort vorliegen, wo die 50er Inzidenz überschritten wurde und dass es darüber hinaus bei extremen Infektionslagen mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche noch weitergehender Maßnahmen bedarf.
Worin diese Maßnahmen bestehen sollen, ist aber nach wie vor offengeblieben. Meine klare Erwartungshaltung wäre gewesen, in Abhängigkeit vom jeweiligen Infektionsgeschehen verbindliche Maßnahmen für Hotspots zu vereinbaren.
Ich finde es unbegreiflich, dass das nicht geschehen ist! Verschärfte Regeln in diesen Regionen hätten die anderen Bundesländer allerdings auch schon die ganze Zeit über ergreifen können. Man muss nicht auf eine bundesweite Vereinbarung warten, um zu erkennen, dass bei Inzidenzen von über 250, 300 oder sogar 400 ein schärferes Eingreifen erforderlich ist. Da muss jetzt dringend mehr geschehen, da sind die anderen Bundesländer in der Pflicht zu handeln! Immerhin wollen die anderen Bundesländer jetzt endlich die Kontaktanzahl bei Zusammenkünften im privaten Bereich beschränken.
Das war in Schleswig-Holstein schon die ganze Zeit auf 10 Personen begrenzt. Fassungslos mussten wir miterleben, dass selbst während des Lockdowns jetzt im November in den allermeisten anderen Bundesländern dafür keine Regeln bestanden und sogar Feiern mit bis zu 100 Personen möglich waren.
Statt sich nun aber die Schleswig-Holsteiner-Regeln zum Vorbild zu nehmen, denken sich die anderen Bundesländer etwas Neues aus: Drei Wochen lang sollen die Kontaktbeschränkungen etwas strenger ausfallen als in Schleswig-Holstein, um die Regeln dann zu Weihnachten gleich wieder lockerer zu handhaben als bei uns. Da habe ich wirklich meine Zweifel, ob das nun der richtige Weg ist. Bei uns in Schleswig-Holstein bleibt es deshalb bei der bewährten und erprobten Regelung von 10 Personen inklusive Kindern. Damit sind wir auch für die Weihnachtsfeiertage gut aufgestellt!
Meine Damen und Herren, auch an einer anderen Stelle lösen die bundesweit geplanten Verschärfungen keinen Änderungsbedarf in Schleswig-Holstein aus, nämlich bei den Regelungen zur Maskenpflicht an Schulen.
Die jetzt vorgesehenen Verschärfungen bleiben immer noch hinter dem zurück, was bei uns im Land schon seit den Herbstferien gilt: Maskenpflicht auf dem Schulgelände und im Unterricht ab Klasse 5 sowie in Grundschulen aber einer 50er Inzidenz. Das ist die klare Regelung bei uns in Schleswig-Holstein. Im Unterschied dazu sieht der MPK-Beschluss für Grundschulen sowie für 5. und 6. Klasse nur eine Kann-Regelung vor. Es ist doch unbegreiflich, dass Bundesländer mit deutlich höherem Infektionsgeschehen als in Schleswig-Holstein nach wie vor nicht bereit sind, ebenso strenge Regeln anzulegen wie bei uns. Da muss in den anderen Bundesländern einfach noch mehr geschehen! Sinnvollerweise ist jetzt immerhin vereinbart wurden, dass bei einer Inzidenz von über 200 weitergehende Maßnahmen zur Unterrichtsgestaltung schulspezifisch umgesetzt werden sollen.
Auch mit der Einführung von Wechsel- oder Hybridunterricht muss man aber nicht warten, bis 200 Neuinfektionen übertroffen sind. Da kann man durchaus schon früher eingreifen. Ich finde, bei uns in Schleswig-Holstein sollten wir das auch tun, sobald sich bei uns in einer Stadt oder in einem Kreis eine dynamische Entwicklung in diese Richtung ergibt.
Meine Damen und Herren, wir waren das ganze Jahr über vorsichtig, wir haben strenge Regeln und das ist auch gut so. Da haben die anderen Bundesländer noch erheblichen Nachholbedarf und genau darauf wird es in der Zukunft umso mehr ankommen.
Sollte es den anderen Bundesländern im Laufe des Dezembers nämlich nicht gelingen, das Infektionsgeschehen wieder auf eine Inzidenz unter 50 zu drücken, dann sind auch im Januar weitere Beschränkungen zu befürchten. Mit unserem heutigen Antrag bringen wir deshalb die klare Erwartungshaltung zum Ausdruck, dass der Bund in einem solchen Fall weiterhin Wirtschaftshilfen gewährt, wie das jetzt im November und Dezember der Fall ist.
Allerdings mehren sich auf Bundesebene die Stimmen, die diese finanzielle Belastung dann mit den Ländern teilen wollen. Sollte es dazu kommen, würden wir in Schleswig-Holstein doppelt und dreifach bestraft werden: Bei den Ausgleichszahlungen für das Bereithalten freier Krankenhausbetten gehen wir schon jetzt weitgehend leer aus, obwohl die anderen Bundesländer unsere Betten bei Bedarf gerne in Anspruch nehmen werden. Fortgesetzt hohe Infektionszahlen in anderen Bundesländern würden auch uns im nächsten Jahr weiterhin erhebliche Beschränkungen abverlangen. Und für die Finanzierung der erforderlichen Wirtschaftshilfen würden wir dann ohne eigenes Verschulden auch noch zur Kasse gebeten werden.
Meine Damen und Herren, wir können nicht auch noch dafür bezahlen, dass andere Bundesländer mit ihren Corona-Regeln die zweite Welle begünstigt, wenn nicht sogar ausgelöst haben. Mit den Notkrediten in diesem Jahr und den konjunkturell bedingten Steuerausfällen ist Schleswig-Holstein bereits jetzt an der Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt. So sehr auch ich mir Sorgen um die ausufernde Staatsverschuldung im Bundeshaushalt mache, so klar und deutlich muss ich aber auch sagen: Die Lösung kann nicht darin bestehen, Schleswig-Holstein noch weitere finanzielle Lasten aufzubürden.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss noch ein paar Worte zu den vor uns liegenden Feiertagen. Auch im Corona-Jahr 2020 fallen Weihnachten und Silvester nicht aus, sondern eine Feier im Kreis der Familie wird im Rahmen unserer Kontaktbeschränkung selbstverständlich möglich sein. Ich bin mir sehr sicher, dass sich die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner auch an diesen besonderen Tagen weiterhin so verantwortungsvoll verhalten werden, wie sie es das ganze Jahr über schon getan haben.
Meine abschließende Bitte richtet sich deshalb an die Kirchen und Religionsgemeinschaften. So sehr der Weihnachtsgottesdienst oder die Christmette zu Weihnachten mit dazu gehören, so sehr müssen wir darauf achten, dass nicht gerade diese Veranstaltungen die dritte Corona-Welle auslösen. Deshalb braucht es auch hier Regeln zur Kontaktvermeidung.
Auch diesen Aspekt haben wir deshalb in unseren heutigen Antrag mit aufgenommen. Danke, dass es erneut gelungen ist, diesen Antrag wieder mit allen Fraktionen und den Abgeordneten des SSW gemeinsam zu formulieren.
Auch das unterscheidet uns von vielen anderen Bundesländern.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel