Haushalt | | Nr. 388/20
TOP 37 u. a.: Schleswig-Holstein sicher aus der Krise und in die Zukunft führen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erleben derzeit eine historische Krise. Die Corona-Pandemie hat zu einem Einbruch der Wirtschaft und damit zu einem erheblichen Rückgang der Einnahmen geführt, was Schleswig-Holstein so seit dem zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat. Und spätestens bei einem Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen sollte allen klar sein, dass die Pandemie nicht überwunden ist. So lange es keinen Impfstoff gibt, wird uns die Pandemie begleiten. Die aktuellen Inzidenzen zeigen es. Und auch die beschlossenen Maßnahmen für den Monat November werden wir finanziell erheblich spüren. In dieser schweren Zeit ist es das einzig Richtige, finanzpolitisch den Schulterschluss zu suchen, um unser Land gemeinsam aus dieser Krise zu führen.
Mit dem vor uns liegenden vierten Nachtragshaushalt 2020 beschließen wir einen Kreditrahmen der über mehr als eine Generation zurückzuzahlen ist. Nämlich über 40 Jahre! Leider auch von einer Generation, die jetzt erst geboren wird.
Eine solche Entscheidung kann und darf nur mit breiter Mehrheit getroffen werden. Deswegen sage ich - auch als Mitglied einer regierungstragenden Fraktion - ganz klar, dass es richtig gewesen ist, die Schuldenbremse mit einer 2/3-Regelung auszustatten.
Meine Damen und Herren,
ich kenne keinen von uns, dem diese Entscheidung über den Notkredit von weiteren 4,5 Mrd. Euro auf 5,5 Mrd. Euro zuzüglich einer Kreditaufnahme für konjunkturell bedingte Steuermindereinnahmen von 1,198 Mrd. Euro, leicht fällt. Wir fassen den Beschluss nicht gern, aber fassen ihn in vollem Bewusstsein über seine Notwendigkeit und Tragweite und aus tiefster Verantwortung für unser Schleswig-Holstein und seine Bürgerinnen und Bürger. Denn am Ende geht es um nichts anderes als den ökonomischen und damit auch den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und in der Krise zu helfen.
Natürlich kenne ich die Kritik, wir würden unter dem sogenannten Corona-Deckmantel Projekte finanzieren, die nichts mit Corona zu tun hätten. Von genau diesen Kritikern warte ich bis heute auf ernsthafte Alternativvorschläge, wie denn nun mit der Krise umzugehen ist, welche Haushaltstitel konkret zu streichen wären.
Wir machen genau das, was in einer solchen Phase nicht nur wichtig, sondern sogar essenziell ist: Wir investieren in den Standort Schleswig-Holstein!
Das tun wir, indem wir mit 2,5 Mrd. Euro der Nothilfe die Finanzierung der IMPULS-Investitionen absichern. Es ist wichtig, dass wir als Wirtschafts- und Arbeitsstandort für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern nicht nur attraktiv bleiben, sondern besser werden. Das kann nur gelingen, wenn wir in Glasfaser, in Schulen, in Universitäten, in Straßen und Schiene, in Digitalisierung und ja, auch in Radwege investieren. Das alles ist nicht „nice to have“, sondern notwendige, zukunftsorientierte Standortpolitik.
Das ist nicht nur wichtig, sondern essentiell für den Standort Schleswig-Holstein. Denn eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigt, dass wir immer noch einen hohen Nachholbedarf an hochwertigen Produkten und Dienstleistung haben. Daran können wir nur durch Investition in unsere Infrastruktur etwas ändern, um entsprechende Unternehmen und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu bekommen oder zu halten. Deswegen ist wirksame Standortpolitik in der Krise so wichtig.
Aber eines hat uns die Pandemie ganz klar vor Augen geführt: Bei der Digitalisierung brennt es in allen Bereichen. Daher ist es richtig, dass wir hier einen Schwerpunkt setzen und massiv in Digitalisierungsmaßnahmen, wie Software, Endgeräte aber auch den Glasfaseraubau, investieren.
Darüber hinaus finanzieren wir mit diesem Nachtragshaushalt weitere Testkapazitäten und Maßnahmen für den Infektions- und Gesundheitsschutz. 150 Mio. Euro stehen dafür bereit. Die absolute Notwendigkeit dieser Ausgaben brauche ich in Anbetracht der Ursache für diesen 4. Nachtrag nicht weiter ausführen.
Die Folgen der Pandemie treffen natürlich nicht nur das Land. Der Einbruch der Wirtschaft sorgt auch bei den Kommunen, für erhebliche Steuermindereinnahmen. Auch hier bekennen wir uns zu unserer Verantwortung und übernehmen gemeinsam mit dem Bund je die Hälfte der im Mai geschätzten Gewerbesteuerausfälle von 330 Mio. Euro. Als Land nehmen wir dafür entsprechend 165 Mio. Euro in die Hand. Die Verteilung wird anhand der Differenz zwischen dem Durchschnitt des einzelgemeindlichen Gewerbesteueraufkommens der Jahre 2017 bis 2019 und dem erwarteten Gewerbesteueraufkommen 2020 vorgenommen. Dabei wird maximal ein Betrag von 1.000 Euro je Einwohnerin und Einwohner ausgeschüttet. Die Mittel, die aufgrund dieser Kappungsgrenze nicht ausgeschüttet werden, verfallen selbstverständlich nicht, sondern werden auf Basis der erwarteten Gewerbesteuerausfälle auf die übrigen Kommunen verteilt.
Hierzu werden wir im Rahmen dieses Plenums ein eigenes Gesetz verabschieden.
Aber nicht nur die Gewerbesteuereinnahmen fallen bei den Kommunen weg. Im Jahr 2021 werden wir die Hälfte und im Jahr 2022 ein Viertel der Ausfälle bei der Einkommensteuer übernehmen. Maximal stehen dafür 110 Mio. Euro bereit. Der Abrechnungsbetrag aus dem kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2020 teilen sich Land und Kommunen. Um die Kommunen zu entlasten wird der kommunale Anteil dabei bis 2031 gestreckt.
Ich habe in meiner Rede bereits ausgeführt, wie wichtig in einer Zeit wie dieser die Investitionen sind. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die Investitionen des Landes, sondern auch auf kommunaler Ebene. Deswegen werden wir mit dem neu geschaffenen Infrastrukturfonds 150 Mio. Euro bereitstellen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Investitionen vor Ort gesichert und ausgebaut werden. Konkret unterstützen wir die Kommunen damit beim Ausbau der Ganztagsbetreuung, was eine riesige Aufgabe vor Ort ist. Aber auch der Ausbau kommunaler Radwege und der stärkere Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden sind wichtig. Zudem haben wir einen großen Nachholbedarf bei den Investitionen in die Krankenhäuser vor Ort, wofür wir 124 Mio. Euro bereitstellen und für den Schulbau wird IMPULS um 120 Mio. Euro aufgestockt.
Alles Zukunftsthemen, die uns helfen, gestärkt aus der Krise hervorzutreten.
Neben dem 4. Nachtrag zum Haushalt 2020 beraten wir heute in erster Lesung auch den Haushaltsentwurf 2021. Die Corona-Pandemie hat natürlich ebenfalls große Auswirkungen auf die Haushaltsplanung für 2021 und die folgenden Jahre. Die hieraus resultierenden Folgekosten von 403 Mio. Euro werden durch den Notkredit aufgefangen. Hinzu kommt die geplante Übernahme von Altschulden aus der HSH Finanzfonds AöR in Höhe von 287,5 Mio. Euro. Eine weitere Kreditaufnahme gibt es für das Defizit von 346 Mio. Euro.
Trotzdem begrüße ich, dass die Landesregierung mit 1,38 Mrd. Euro mehr als zehn Prozent des Haushaltes für Investitionen geplant hat. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Gerade in der Krise ist es richtig, massiv in Digitalisierungsmaßnahmen, Glasfaser, Straße, Schiene, Radwege, Barrierefreiheit, Krankenhäuser oder energetische Gebäudesanierung zu investieren. Denn der Weg aus der Krise kann nur über eine gute Standortpolitik mit Schwerpunkt auf eine gut ausgebaute und moderne Infrastruktur führen, von der die kommenden Generationen profitieren können. Das gilt selbstverständlich auch für den Haushalt 2021.
Mit Blick auf die kommenden Generationen geht Jamaika auch beim Thema Finanzanlagen voran. Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf zur Regelung der Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein wollen wir eine stärkere Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Finanzanlagen des Landes erreichen und diese Kriterien auch gesetzlich verankern. Aus unserer Sicht ist das Ganze auch sinnvoll, denn – ich habe es in meiner Rede vor knapp einem Jahr bereits gesagt - Nachhaltiges Investieren und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus. Konkret geht es um Finanzanlagen nach ESG-Kriterien, die neben Umweltschutz auch Sozial- und Ethik, bzw. Unternehmensführungsaspekte beziffern. Was hierunter im Sinne dieses Gesetzes konkret zu verstehen ist, werden wir im Finanzausschuss noch einmal vertiefen.
Ich komme zurück auf den Haushaltsentwurf 2021 und die Feststellung, dass Investitionen in eine gute Standortpolitik mit dem Schwerpunkt einer gut ausgebauten und modernen Infrastruktur wichtig sind. Ebenfalls für den Haushalt 2021 gilt: Wir sollten keine wesentlichen neuen konsumtiven Ausgaben auf den Weg zu bringen. Denn auch wenn wir mit der Vereinbarung über den Notkredit unsere Corona-bedingten Mehrausgaben, Investitionen und Steuerausfälle abgesichert haben, ist klar: Jeder zusätzliche Euro, den wir ausgeben, ist kreditfinanziert und stellt damit eine Belastung für die kommenden Generationen dar. Darum ist absolute Haushaltsdisziplin gefordert. Diese legt die Jamaika-Koalition an den Tag, setzt mit dem Haushaltsentwurf 2021 die richtigen Schwerpunkte und sorgt in dieser schweren Zeit für Stabilität.
Glücklicherweise haben wir derzeit eine günstige Zinslage, so dass wir mit knapp 455 Mio. Euro Zinsen auf dem niedrigen Niveau der Vorjahre bleiben. Das ist keine Selbstverständlichkeit und uns muss bewusst sein, dass diese niedrigen Zinsen unseren Haushalt ein Stück weit helfen. Bei einer Zinslage, wie vor 10 oder 15 Jahren, hätten wir aber auch ohne Corona und HSH große Probleme.
In dieser Hinsicht sind die Zeiten heute zum Glück andere.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns im Finanzausschuss intensiv mit dem Thema Altschulden auseinandergesetzt, denn eben diese sind mit erheblichen Zinsrisiken verbunden. Im Klartext heißt das, dass schon kleine Zinserhöhungen starke Belastungen für den Landeshaushalt zur Folge haben. Grundsätzlich ist es beim Thema Schulden wichtig, über den Tellerrand zu schauen und nicht nur die Kapitalmarktschulden, sondern die Gesamtverschuldung zu sehen. Die Kapitalmarktschulden werden bis 2024 auf ca. 38 Mrd. Euro und damit ca. 13.000 Euro für jede Einwohnerin und jeden Einwohner von Schleswig-Holstein anwachsen. Hinzu kommen die verdeckte Verschuldung von über 6 Mrd. Euro in Form des Investitionsstaus und natürlich unsere Pensionsverpflichtungen, die derzeit bei einem Barwert von knapp 35 Mrd. Euro liegen, wenn wir bilanzieren würden. Die Gesamtverschuldung ist also wesentlich höher als auf der Schuldenuhr zu sehen ist und das, bei einem Haushalt von bereinigt rund 13 Mrd. Euro im Jahr, von denen ein Großteil der Ausgaben einfach fix ist. Wir müssen uns also genau überlegen, wann und wie wir diese Verschuldung in den Griff bekommen und wie wir die vorhandenen Spielräume am besten nutzen. Ein Altschuldentilgungsplan ist absolut sinnvoll, um das Zinsrisiko zu minimieren. Aber die Pandemie hat uns hier ganz klar einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn wir bauen derzeit leider keine Kapitalmarktschulden ab, sondern auf. Daher müssen wir immer sehen, wo erreichen wir mit einem Euro in der Hand, die größte Wirkung für unser Land! In der aktuellen Situation schließt sich damit der Kreis wieder und wir landen bei den Investitionen in die Infrastruktur und den Abbau der verdeckten Verschuldung.
Das bedeutet nicht, dass wir keine Sparanstrengungen unternehmen müssen. Das bedeutet nur, dass sie wohlüberlegt und zur richtigen Zeit unternommen werden und uns auch die Folgen klar sein müssen.
Meine Damen und Herren,
die aktuelle Lage zeigt leider, dass das Land wohl weiterhin gefragt ist, um Betrieben, insbesondere in der Veranstaltungsbranche zu unterstützen und noch mehr in den Infektionsschutz zu investieren. Ich sage aber auch, je länger die Pandemie andauert, desto enger werden die finanziellen Möglichkeiten.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung über diesen großen Kreditrahmen, keine leichte Entscheidung und auch die Haushaltsberatungen für 2021 werden keinen einfachen sein. Aber wir alle sind bereit, diese Verantwortung zu tragen und dafür bedanke ich mich nicht nur bei der Landesregierung, sondern bei allen Kolleginnen und Kollegen der bestehenden Fraktionen und den Abgeordneten des SSW.
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel