Nie wieder ist jetzt!
Nie wieder ist jetzt!

In der heutigen Landtagssitzung wurde auf Antrag der CDU-Fraktion über ein 10-Punkteplan für jüdisches Leben debattiert, der als Leitstrang für die Bekämpfung von Antisemitismus in den Schulen des Landes fungieren soll. Der dazu vorliegende Antrag (Drs. 20/1617) stand ganz oben auf der Tagesordnung und wurde von allen Fraktionen getragen.
Für die CDU-Landtagsfraktion sprach der bildungspolitischer Sprecher Martin Balasus.
Zu Beginn seiner Rede verwies der Abgeordnete auf die Ringparabeln von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahr 1779. Ihre Botschaft: Die drei Weltreligionen – Christentum, Judentum und Islam – sollen friedlich koexistieren, Toleranz üben und jede Form religiösen Fanatismus sei abzulehnen.
Doch dieses Ideal aus der Feder Lessings sei bis heute nicht Realität geworden.
„Dies führte uns allen der 7. Oktober vor Augen, als die Terroristen der Hamas Israel brutal überfielen, Männer, Frauen und Kinder folterten, ermordeten oder verschleppten und selbst vor Säuglingen nicht Halt machten. Noch vor kurzem war für mich unvorstellbar, was wir heute in Deutschland erleben: Nach diesem Überfall mit dem größten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah wurde in deutschen Städten von Teilen der Bevölkerung gefeiert, das Existenzrecht Israels in Frage gestellt, Jüdinnen und Juden beschimpft, ihre Wohnhäuser markiert und Einrichtungen bedroht. Wie kann es sein, dass Islamisten die Freiheiten unserer Demokratie für Antisemitismus, Israel-Hass und religiösen Wahn auszunutzen? Wie kann es sein, dass in Deutschland eine rechtsextreme Partei stetig wächst und Antisemitismus von links verharmlost wird? Und was ist eigentlich mit Greta Thunberg los?“, so Balasus
Ein starkes Handeln von Staat und Gesellschaft müsse diesem giftigen Wind entgegenstehen, einfache Lippenbekenntnisse reichten dafür nicht aus. Dies sei eine Frage von Haltung.
„Wir dürfen nicht wegsehen oder schweigen, wenn Jüdinnen und Juden beleidigt, beschimpft oder bedroht werden.
Wir dürfen kein Geld für Vereine, Institutionen und Verbände vorsehen und freigeben, die nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehen.
Und wir müssen ganz genau hinschauen, wer zu uns kommt – und dann auch den Mut haben, zu sagen: Du bist Antisemit, dich wollen wir nicht!“, führte der Pinneberger Abgeordnete aus.
In Sachen Prävention sei Schleswig-Holstein mit den Landesaktionsplan Antisemitismus und dem Runden Tisch SHalom&Moin bereits aktiv. Sanierungsarbeiten der Kieler Synagogen würden unterstützt. Doch die aktuelle Lage zeige auf, dass dies nicht ausreiche.
Die Politik müsse den Fokus auf die Bildungseinrichtungen legen. Dort müsse der demokratische, auf Toleranz fußende Wertekanon intensiv gelehrt werden. Dafür sei eine Bildungsoffensive gegen Antisemitismus notwendig, die von allen Fraktionen im Landtag getragen werde. 10 Punkte dienten als Leitfaden.
„Präventionskonzepte müssen ausgebaut, der Kampf gegen Antisemitismus als Erziehungs- und Bildungsziel verankert werden. Im Unterricht soll mehr über Israel und den Nahostkonflikt gesprochen werden – also überarbeiten wir Lehrpläne, Fachanforderungen, Fortbildungsangebote und das IQSH erstellt geeignete Materialien.
Der Lernerfolg ist bei jungen Menschen nachhaltig, wenn sie sich intensiv mit dem Unterrichtsthema auseinandersetzen. Dazu braucht es Zeit. Und diese wollen wir ihnen geben, in Form von Projekten zum 9. November oder dem 27. Januar – dem Tag der Befreiung von Auschwitz.
Aber auch Theaterschauspiele, Initiativen wie „Schule ohne Rassismus“ und sorgfältige Medienerziehung sind essenziell. Schließlich tummeln sich auf Plattformen wie TikTok-Hassprediger, FakeNews und islamistische Propaganda. Haltungen und Wertvorstellungen reifen bei Schülerinnen und Schülern besonders, wenn der schulische Alltag durchbrochen wird, wenn sie selbst etwas entdecken können. Diese Erfahrung konnte ich mit meinen Schülerinnen und Schülern mehrfach machen – sei es in Neuengamme oder in Auschwitz. Stets haben diese Fahrten tiefe Spuren in der Schulbiografie des Einzelnen hinterlassen. Deshalb lautet unser Ziel: Jede Schülerin und jeder Schüler muss mindestens einmal eine Gedenkstätte besuchen.
Im Kampf gegen Antisemitismus braucht es mehr Sensibilität, sowohl im Unterricht als auch auf dem Pausenhof. Bei antisemitischen Vorfällen und Äußerungen muss gelten: Keine Bagatellisierungen, sondern hinsehen, eingreifen und dies im Unterricht eindeutig thematisieren.
Wissen ist der Feind der Vorurteile. Also muss jede Schülerin und jeder Schüler die Verbrechen gegenüber den Jüdinnen und Juden sowie die besondere Verantwortung Deutschlands kennen und verstehen. Für den Unterricht bedeutet das: Er darf sich nicht nur auf das Erwerben von Faktenwissen beschränken, sondern muss auch eine wertegeleitete Urteilsbildung enthalten. Aber der Blick sollte nicht nur auf der Vergangenheit verharren, sondern auch die Gegenwart und damit heutiges jüdisches Leben sichtbar machen – durch Besuch einer Gemeinde, Einrichtung oder durch ein Treffen mit Einzelpersonen – zum Beispiel im Projekt „Meet a Jew“, wodurch Vorurteile und Stereotype abgebaut werden“, so Balasus
Am Ende seiner Rede plädierte der Bildungspolitiker noch einmal eindrücklich für eine zügige Umsetzung der Bildungsoffensive, um der Leitformel nie wieder Substanz zu verleihen.
Schließlich stimmte der Landtag dem interfraktionellen Antrag einstimmig zu.