Aktuelle Stunde zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Aktuelle Stunde zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
In einer aktuellen Stunde hat sich der Landtag heute direkt zum Beginn der Novembertagung mit dem Urteil des Landesverfassungsgericht zur Schuldenbremse und dem für Nichtig erklärten Nachtragshaushalt 2021 der Berliner Ampel befasst.
Die Unionsfraktion im Bundestag hatte gegen den Nachtragshaushalt der Ampel und der Umwidmung von Mitteln aus dem Corona-Notkredit für den Klima- und Transformationsfonds geklagt. Das Gericht hatte den 2. Nachtrag für den Bundeshaushalt 2021 für verfassungswidrig und darüber hinaus mit sofortiger Wirkung für Nichtig erklärt. In seiner Urteilsbegründung hat das Bundesverfassungsgericht auch Grundsätze für den Umgang mit der Schuldenbremse herausgestellt, die auch Auswirkungen auf die Haushaltspolitik des Landes haben werden.
Für die CDU-Fraktion sprach in der Debatte der Fraktionsvorsitzende Tobias Koch:
„Dieses Urteil ist ein absolutes Desaster für die Berliner Ampel. Jetzt fest, dass die Ampel-Koalition von Anfang an nur durch Rechtsbruch möglich geworden ist. Ohne die Verwendung der 60 Milliarden Euro für Klimaschutz wäre eine Einigung auf die gemeinsame Koalition vermutlich nie zustande gekommen. Im Streben nach gemeinsamer Regierungsbildung war den Koalitionären aber offenbar jedes Mittel Recht. Ausgerechnet ein FDP-Bundesfinanzminister hat nun diesen Verfassungsbruch in einem nie zuvor gesehenen Ausmaß zu verantworten“, so Koch in der Aktuellen Stunde.
Koch stellte in seiner Rede die unterschiedliche Situation zwischen dem Land und dem Haushalt in Berlin heraus und zeigte dabei, warum diese nicht vergleichbar sind, das Urteil aber dennoch auch Auswirkungen auf den Landeshaushalt hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vorherigkeit gemäß Artikel 110 Abs. 2 Grundgesetz beanstandet, weil die Ampel versucht hatte, den Haushalt des Jahres 2021 nachträglich und rückwirkend durch einen Beschluss im Folgejahr, also im Jahr 2022 zu verändern. Das ist in Schleswig-Holstein nicht der Fall.
Während die Beschlüsse in Berlin nur mit einfacher Ampel-Mehrheit beschlossen wurden, wurden in Schleswig-Holstein bei jeder einzelnen Notkreditentscheidung auf die Opposition zugegangen. Sämtliche Entscheidung der vergangenen Jahre wurden in Schleswig-Holstein nicht mit einfacher Mehrheit getroffen, sondern jeweils mit über 85 oder 90 Prozent der Stimmen des Landtags.
Als zweiten Grund für die Verfassungswidrigkeit nennt das Gericht den Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit und Jährigkeit. Nach Auffassung des Gerichts dürfen demnach beschlossene Notkredite nur in dem Haushaltsjahr verwendet werden, für das die Notsituation festgestellt worden ist, nicht aber darüber hinaus. Dieser zweite Grund betrifft nun auch Schleswig-Holstein.
Der von allen Fraktionen im Landtag beschlossenen Corona-Notkredit über 5,5 Milliarden Euro war nicht alleine auf ein Jahr begrenzt, sondern darauf ausgelegt, die erwarteten Belastungen in den nächsten vier Jahren kompensieren und zudem die geplanten Investitionen der nächsten zehn Jahre abzusichern. Aber auch über das Jahr 2020 hinaus haben die Folgen der Coronapandemie Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Um dem Urteil Rechnung zu tragen, haben die Fraktionen von CDU und Grünen heute zwei Dringlichkeitsanträge zur Feststellung einer außerordentlichen Notsituation des Landeshaushaltes für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 in den Landtag eingebracht sowie einen weiteren Dringlichkeitsantrag zu Änderung der Beschlussfassung zur Northvolt-Finanzierung. Diese Anträge werden am morgigen Donnerstag im Plenum beraten.
Zukünftig wird in jedem einzelnen Haushaltsjahr zu überprüfen sein, ob eine außergewöhnliche Notsituation besteht oder andauert, die der Kontrolle des Staates entzogen ist und die Finanzlage erheblich beeinträchtigt und deshalb eine Kreditaufnahme zulässig ist, so Koch in der Aktuellen Stunde weiter.
„Als Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein haben wir das im Grunde aber auch bislang schon so gehandhabt. Den für mehrere Jahre beschlossenen Corona-Notkredit haben wir nämlich im letzten Jahr überprüft und aufgrund der verbesserten Finanzlage um mehrere Millionen Euro reduziert und zudem den Haushaltsüberschuss zur Schuldentilgung eingesetzt. Im Grund die gleiche Vorgehensweise wie vom Gericht verlangt, nur eben in anderer Reihenfolge“, so Koch.
Als dritten Punkt hat das Gericht den Veranlassungszusammenhang bemängelt. Der Versuch der Berliner Ampel, Corona-Mittel für den Klimaschutz zu verwenden, wurde vom Gericht klar verworfen. Auch hier unterscheidet sich die Situation in Schleswig-Holstein.
Beim Corona-Notkredit hat der Landtag beschlossen, mit dem Kredit nicht nur den unmittelbaren Pandemiefolgen z.B. in der Gesundheitsversorgung zu begegnen, sondern als Konsequenz aus der Pandemie auch zusätzliche Investitionen in Krankenhäuser, Schulen und Digitalisierung aus Notkrediten zu finanzieren.
Und auch beim Ukraine-Notkredit ist der Landtag über die Bewältigung der unmittelbaren Kriegsfolgen bei Flüchtlingen und Energiekosten hinausgegangen, und hat mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW beschlossen, mit Hilfe des Notkredites auch die Erlangung der Energiesouveränität und der Unabhängigkeit von Russland schneller voranzutreiben.
„Ob das in beiden Fällen zulässig war, darauf gibt das Urteil eine ganz klare Antwort, und diese Antwort lautet „Ja“. In Ziffer 136 des Urteilstextes wird eindeutig festgestellt, dass die notlagen-bedingte Kreditaufnahme nicht auf die unmittelbaren Folgen einer Notlage beschränkt sein muss. Bei Bekämpfung, Anpassung und ggf. Nachsorge kommt dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, urteilt das Gericht. Mit anderen Worten: Mit Notkreditmitteln dürfen auch weitergehende Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen werde. Genau das haben wir in Schleswig-Holstein beim Corona- und Ukraine-Notkredit getan“, so Koch in der Debatte weiter.